Ab etwa 10 Jahren steigt das Interesse der Kinder an Computerspielen. Fast die Hälfte der Deutschen spielt regelmäßig. Wenn der Nachwuchs aber scheinbar nur noch vor dem Rechner oder der Konsole sitzt, machen sich viele Eltern Sorgen. Ist mein Kind süchtig?
Ärztlicher Leiter
Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Die Computerspielsucht oder auch Gaming Disorder ist nur eine von so genannten medienbezogenen Störungen. Dazu gehören zum Beispiel auch die Sucht nach sozialen Netzwerken und Foren oder die Online-Kaufsucht.
Typisch für die Computerspielsucht: „Sie ist ein Phänomen des Jugendalters. Sie betrifft vor allem Jungen zwischen 16 und 18 Jahren“, sagt Prof. Thomasius. Er ist Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Wir haben aber auch schon Kinder mit 12 oder 13 Jahren bei uns in Behandlung“, ergänzt er.
Natürlich können auch Mädchen von einer Computerspielsucht betroffen sein. Bei ihnen kommt es allerdings eher zu einer übertriebenen Nutzung des Smartphones und der sozialen Netzwerke oder Foren.
Betroffen sind vor allem Kinder mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen. Dazu gehören zum Beispiel:
Aber auch das Umfeld hat einen Einfluss und kann die übermäßige Nutzung von Smartphone und Computer begünstigen:
Jedes Kind ist verschieden, daher sind auch die Anzeichen immer individuell zu betrachten. Erste Anzeichen für eine beginnende Computerspielsucht können zum Beispiel sein:
„Schule schwänzen, das Auslassen von Mahlzeiten oder gar gewalttätige Auseinandersetzungen bei Begrenzungsversuchen seitens der Eltern sind jedoch der Extremfall“, sagt Prof. Thomasius.
Schwieriger zu erkennen ist hingegen die Smartphone- oder Social-Media-Sucht. „Diese Sucht ist weniger offensichtlich. Betroffene Kinder, meistens Mädchen, isolieren sich nicht so schnell, halten weiterhin Kontakte zu Freunden“, so der Experte. Aber auch hier zeigt sich eine Reizbarkeit, wenn das Handy nicht verfügbar ist. Schließlich zeigen sich dann auch negative Auswirkungen auf andere Lebensinhalte wie Schule oder Hobbys.
Immer On?
Onlinesucht an Schulen vorbeugen.
Wichtig ist bei einer Gaming Disorder die Abgrenzung zu einer vorübergehenden, extremen Nutzung. Prof. Thomasius: „Gab es zum Geburtstag das lang ersehnte Computerspiel, ist es völlig normal, dass das Kind die nächsten Tage viel am Spielen ist. Von einer Sucht sprechen wir erst, wenn die negativen Auswirkungen über 12 Monate hinweg bestehen bleiben.“
Auch während der Coronapandemie ließ sich eine vermehrte Nutzung von digitalen Medien beobachten. Untersuchungen zeigen: Kinder und Jugendliche nutzten Smartphone, Computer und Co. vor allem, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben und um Langeweile zu vertreiben. Ob im vergangenen Jahr tatsächlich auch mehr Kinder eine Computerspielsucht entwickelt haben, wird derzeit untersucht.
Ab Januar 2022 soll der neue ICD-11 Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Kraft treten. Darin werden Krankheiten und Gesundheitsprobleme international einheitlich klassifiziert und verschlüsselt. Erstmalig wird dann auch die Gaming Disorder aufgeführt. Sie ist durch folgende vier Kriterien definiert:
„Hier gilt: Lassen Sie Ihre Kinder nicht alleine. Begleiten Sie Ihre Kinder von Anfang an bei der Nutzung von digitalen Medien“, empfiehlt Prof. Thomasius. Eltern sollten stets informiert sein über die Inhalte, die Kinder im Internet nutzen. „Zeigen Sie Interesse, bleiben Sie mit Ihren Kindern im Dialog“, so der Experte weiter.
Hilfreich sind auch klare Regeln und Grenzen. Diese können dann in einem „Medienvertrag“ für die gesamte Familie festgehalten werden. Allerdings müssen sie regelmäßig neu diskutiert und angepasst werden – etwa an das Alter der Kinder oder an neue Inhalte und Spiele. Prof. Thomasius: „Das ist manchmal mühsam und anstrengend. Aber eben auch wichtig für eine gesunde Mediennutzung.“ Eine individualisierbare Vorlage zum Ausdrucken gibt es zum Beispiel auf mediennutzungsvertrag.de.
Die 3-6-9-12-Regel:
Spätestens wenn Sie merken, dass das Gaming oder die Smartphone-Nutzung überhandnehmen und andere Lebensbereiche darunter leiden, sollten Sie handeln. Doch was, wenn jede Diskussion um eine Begrenzung der Computer- und Handyzeit im Streit eskaliert und Sie nicht mehr zu den Kindern durchdringen? Dann suchen Sie am besten eine Sucht-Beratungsstelle auf. Das können Sie auch erst mal alleine tun – dort bekommen Sie hilfreiche Tipps, wie Sie zu Hause reagieren können.
„In einer klassischen Suchtberatung geht es meistens um Drogen- oder Alkoholprobleme. Das lässt sich mit einer Computerspiel- oder Social-Media-Sucht nur bedingt vergleichen. Wichtig ist daher, dass die Beratungsstelle auf Computerspielsucht und auf Kinder und Jugendliche spezialisiert ist“, so Prof. Thomasius.
Diese Episode von „Morphium & Ingwer“ führt Olli Briesch und Michael Imhof tief in die Abgründe digitaler Parallelwelten – denn das Thema lautet Gaming-Sucht. Was ist noch normales Spielverhalten und wo hört der Spaß mit dem Joypad auf? Das und vieles mehr erfahren unsere Moderatoren von Expertin Laura Bottel. Außerdem berichtet ein Spielsüchtiger, was das Dauerzocken bei ihm für Auswirkungen auf Beruf und Gesundheit hatte. Also Rechner oder Konsole mal 30 Minuten herunterfahren und lieber entspannt einem Podcast lauschen. Am besten diesem hier.
Letzte Änderung: 14.01.2021
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