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Zyklusbasiertes Training: Warum Frauen anders trainieren sollten als Männer

ArtikelLesezeit: 3:00 min.
Frau trainiert am Boxsack

Bildnachweis: © stock.adobe.com / Dangubic

Während die einen diesen Ansatz für Humbug halten, sind andere längst überzeugt: Die Zyklusphasen haben einen Einfluss auf sportliche Leistung und den Stoffwechsel. Frauen, die mit ihrem Zyklus trainieren, stellen häufig positive Effekte fest.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Dr. Birgit Plifke

Fachärztin für Orthopädie und Chirurgie
ServiceCenter AOK-Clarimedis

Das hormonelle Auf und Ab spürt jede Frau, die einen natürlichen Zyklus hat. Und fast jede erlebt ihre Regelblutung als Einschränkung im Alltag. Aber dass auch alle anderen Zyklusphasen ihren Körper ein wenig „fremdbestimmen“, wissen viele Frauen – und Sportlerinnen – nicht.

Sollten Frauen anders trainieren als Männer?

Jahrzehntelang haben sich Trainingspläne nur an Männern orientiert, die nicht jeden Monat wechselnde hormonelle Veränderungen erleben wie menstruierende Frauen. Dabei hat das Wechselspiel zwischen den weiblichen Hormonen Östrogen und Progesteron, ihr Ansteigen und Absinken, Eizellenreifung, Eisprung und Blutung wahrscheinlich Einfluss auf die physische Leistungskraft von Frauen – und auch auf das Verletzungsrisiko.

Es gibt immer mehr Studien von Medizinern und Sportwissenschaftlern, die das Zusammenspiel von Zyklus und sportlicher Performance belegen. Allerdings ist die Forschung an menstruierenden Personen recht kompliziert und die Ergebnisse sind nicht immer eindeutig. Schließlich ist der Zyklus von Frau zu Frau höchstindividuell und viele verschiedene Faktoren wirken sich auf ihn aus. Das reicht von Alter über Gewicht und Ernährung bis hin zu körperlicher und psychischer Belastung. Bekannt ist heute also, dass der Zyklus Einfluss auf Leistungsfähigkeit und Trainingserfolge hat. Die Frage ist nur: in welchem Ausmaß bei welcher Sportlerin?

Welches Training in welcher Zyklusphase?

Im Schnitt dauert der Menstruationszyklus 21 bis 35 Tage. Er beginnt mit dem ersten Tag der Regelblutung. Einige Frauen haben während der Blutung Kopf-, Rücken- oder Unterleibsschmerzen, Stimmungsschwankungen oder Übelkeit. Der Hormonspiegel von Östrogen und Progesteron ist relativ niedrig. Hier empfehlen manche Experten ein leichtes, leistungserhaltendes Training, das viel Ruhephasen und Entspannungsübungen vorsieht. Ideal ist, eine ohnehin im Trainingsplan vorgesehene Entlastungswoche in die Phase der Menstruation zu legen.

Nach der Regelblutung steigt der Östrogenspiegel an, der Eierstock produziert eine Eizelle. Für viele Frauen ist das eine Hochphase, sie fühlen sich kraftvoll. Vor allem die Muskulatur spricht optimal auf Trainingsanreize an.

Der Eisprung gilt als optimaler Zeitpunkt für Wettkämpfe, weil er ein Leistungshoch ermöglicht. Auch nach dem Eisprung ist der Östrogenspiegel noch sehr hoch, doch das Progesteron übernimmt in der sogenannten Lutealphase die Führung, einhergehend mit erhöhtem Stressempfinden und absinkender Leistungsfähigkeit. Das Training zehrt an den Energiereserven. Ratsam sind jetzt Ausdauertraining, Trainingseinheiten mit niedriger Intensität und der Fokus auf Technikoptimierung.

Auch die Ernährung nach dem Zyklus ausrichten

Anders als bei Männern, reagiert der weibliche Körper zyklusbedingt unterschiedlich auf die Ernährung. Während der Menstruationsblutung sind weniger Kohlenhydrate, dafür mehr hochwertige Fette, eisenhaltige und leicht verdauliche Lebensmittel ratsam. Der Stoffwechsel ist durch die niedrigere Körpertemperatur etwas verlangsamt und kann Kohlenhydrate nicht so gut verarbeiten. Training auf nüchternen Magen und Low-Carb-Ernährung werden ebenfalls kritisch bewertet, weil sie potenziell zu einer Unterversorgung des Körpers führen und den Hormonhaushalt stören können.

Während der Eizellenreifung hingegen braucht der weibliche Körper Kohlenhydrate, ebenso Proteine und hochwertige pflanzliche Fette. Beim Eisprung läuft der Körper auf Hochtouren, der Kalorienbedarf ist hier leicht erhöht. In der zweiten Zyklushälfte sorgt der hohe Progesteronspiegel schon für mehr Stress. Koffein durch zu viel Kaffee ist also nicht ratsam. Eine ballaststoffreiche, proteinhaltige Ernährung und viel Flüssigkeit helfen dem Darm bei der Verstoffwechslung. Komplexe Kohlenhydrate stabilisieren den Blutzuckerspiegel und vermeiden Schwächeanfälle. 

Sind gezielte Leistungssteigerungen möglich?

Nicht nur für Leistungssportlerinnen lohnt es sich, zyklusbasiert zu trainieren, auch Freizeitsportlerinnen können davon profitieren. Denn das große Ziel für alle sporttreibenden Frauen ist, ihren Körper besser zu verstehen und Leistungsfenster aktiv für sich zu nutzen.

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Sport während der Menstruation – ist das gut?

Alles kann, nichts muss: Jede Sportlerin sollte in sich hineinhören und für sich entscheiden, ob sie sich während ihrer Blutung fit fühlt oder wie belastbar sie ist. Eine grundsätzliche Empfehlung, auf Sport zu verzichten, gibt es nicht. Sport regt die Durchblutung an, wirkt krampflösend und stimmungsaufhellend. Während der Menstruation haben viele Frauen ein besseres Gleichgewichtsgefühl. Und auch wenn die Tage schmerzhaft sein können, gehören sie bei einigen Sportlerinnen sogar zu den leistungsstärksten.

Ein wenig vorsichtig sollten Sportlerinnen rund um dem Eisprung sein, denn der hohe Östrogenspiegel macht die Bänder und Sehnen weich und erhöht die Verletzungsgefahr. Deshalb sollte intensives Lauftraining nicht unbedingt kurz vor der Periode stattfinden, vor allem nicht, wenn es ohnehin eine Verletzungsneigung an Bändern und Sehnen gibt.

Auch Trainer und Coaches profitieren von zyklusbasiertem Training

Sporttrainer können von ihrem Wissen rund um Zykluseffekte profitieren, weil sie ihre Teams und Sportlerinnen mit diesem Wissen viel sensibler und vielleicht sogar erfolgreicher trainieren können. Fortbildungseinrichtungen wie die Deutsche Sportakademie bieten bereits Zusatzqualifikationen an wie die Ausbildung zum „Female Fitness Performance Coach“. Der Ausbildungsplan beinhaltet explizit einen Kurs zum Thema Gender Gap. Hier wird aber nicht nur auf geschlechterspezifische Unterschiede in Bezug auf unterschiedliche Muskulatur, Anatomie und Stoffwechsel geschaut. Sondern auch auf Unterschiede zwischen Frauen in der fruchtbaren Phase, jenen in der Menopause oder Frauen, die hormonell verhüten.

Ziel: weniger Tabus im Sport

Die breite, medienwirksame Diskussion hilft sicherlich, Berührungsängste immer weiter abzubauen. Aber, Achtung: Wer jetzt Lust hat, ins zyklusbasierte Training einzusteigen, sollte einen natürlichen Zyklus haben. Sprich: Wer hormonell verhütet, kann das Konzept nicht für sich nutzen. Alle anderen können damit starten, ihren Zyklus detailliert zu dokumentieren. Das gelingt am besten mit einer Zyklus-App, die bestimmte Daten wie den ersten Tag der Regelblutung, Dauer, Stärke, Körpertemperatur, Eisprung und Beschwerden aktiv abfragt und aufzeichnet.

Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Auch wenn das Thema zyklusadaptiertes Training immer mehr in den Fokus rückt, ist noch viel Forschung nötig. Erste Effekte und Trends sind erkennbar, aber welche Konsequenzen sich langfristig daraus ergeben, ist offen.

Letzte Änderung: 15.05.2023