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Krafttraining für Kinder und Jugendliche: Pro und Contra

InterviewLesezeit: 2:00 min.
Krafttraining für Kinder: Vater und Sohn trainieren im Fitnessstudio

Bildnachweis: © stock.adobe.com / splitov27

In Deutschland gilt Krafttraining für Kinder und Jugendliche noch häufig als ein Tabuthema, weil sich der kindliche Körper noch in der Entwicklung befindet. Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse plädiert für eine differenzierte Sichtweise auf das Thema und sagt: „Ein Kind, das sich bewegen will, sollten wir nicht aufhalten.“

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Der Experte zum Thema

Prof. Dr. Ingo Froböse

Sportwissenschaftler, Universitätsprofessor
Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung Bewegungsorientierte Präventions- und Rehabilitationswissenschaften

Viele Kinder und Jugendliche wollen schon ihre Muskeln trainieren, bevor sie 16 Jahre sind und mit elterlicher Zustimmung ins Gym dürfen. Ist das eine gute Idee?

Redaktion

Natürlich brauchen auch Kinder Muskelkraft. Das bedeutet aber nicht nur Muskelwachstum, sondern auch Ausdauer und Koordination der Muskulatur. Es geht um das Trainieren der Muskeln und Nerven im Zusammenspiel. Mittlerweile gibt es ein paar Expertenprogramme, die diese Nachfrage ganz smart bedienen. Hier bemüht man sich sehr, Kinder an die Entdeckung ihrer Muskelkraft heranzuführen.

Auch der turnerische Bereich ist eine gute Möglichkeit, die gesamtkörperlichen Fähigkeiten auszubauen. Ebenso eignen sich Breitensport wie Leichtathletik oder ein Teamsport wie Cheerleading dafür. Außerdem Bouldern, Parkour oder Crossfit. Wovor ich die Kinder allerdings bewahren möchte, ist allzu früher sportlicher Drill oder einseitiges Training, was häufig im Vereinsfußball oder im Tennis vorkommt. Hauptsache ist, die Kinder haben Spaß am Sport.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Ist zu früher Kraftsport für Kinder gesundheitsgefährdend?

Redaktion

Natürlich sollten Kinder keine Gewichte heben und sich insbesondere keinen Belastungen aussetzen, die von oben vertikal auf die Knochen einwirken. Wenn die Trainer hier verantwortungsbewusst herangehen und die Kinder das Training nicht ins Extreme entwickeln, sehe ich hier keine Probleme.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Wie wichtig ist ein kompetenter Trainer?

Redaktion

In den Kindersportbereich gehören ohnehin die besten Trainer; sie sollten immer die kindliche Entwicklung berücksichtigen. Das ist in der Realität leider noch nicht so, weil die engagierten und perfekt ausgebildeten es vorziehen, Erwachsene zu trainieren.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Für manche Kinder resultiert die Motivation zu Kraftsport aus einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Wie sollten Eltern damit umgehen?

Redaktion

Wichtig für Ihr Kind ist es, am Körperbild zu arbeiten und zu verstehen, dass es unterschiedliche Körperbilder gibt – anstatt irgendwelchen Idealen auf Social Media nachzueifern. Es gibt eine sehr breite Palette an anatomischen, physiologischen Ausprägungen – sprich: Es kann nicht jeder eine A-Linie, die berühmte Linie von der Brust bis zum Bauch, bekommen. Und die wenigsten haben die anatomischen Voraussetzungen für das „ideale“ Dreieck vom Becken bis zu den Oberschenkeln. Die Kinder und Jugendlichen sollten ihre Sichtweise weiten und nicht auf ein nahezu bildhauerisches Ideal hinarbeiten. Hier können Gespräche innerhalb der Familie helfen, aber auch Schulen und Sportpädagogik sehe ich in der Pflicht.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Viele Jugendliche orientieren sich an Sportinfluencern, machen jede Übung mit. Was halten Sie davon?

Redaktion

Das Problem ist, dass die Kinder bei diesem Social Content noch keinen Maßstab für Qualität anlegen können. Wenn ihnen eine Influencerin etwas vorturnt, was sportpädagogisch und physiologisch völliger Unsinn ist, merken sie es nicht. Wir bräuchten hier Qualitätssicherungssysteme – denn, macht man es falsch, kann es dem Körper durchaus schaden.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Was können Eltern tun bei Bedenken, der Kraftsport könne sich negativ auf die Gesundheit ihres Kindes auswirken?

Redaktion

Leider haben hier viele Kinderärzte kein gutes Händchen dafür, die möglichen Risiken realistisch einzuordnen. Hier kommen manchmal Argumente wie „bloß kein Kraftsport, weil die Wachstumsfugen noch nicht geschlossen sind“. Aber: Ein Kind, das sich bewegen will, sollten wir nicht aufhalten. Für Kinder ist Sport ein Lebensmittel, um sich weiterzuentwickeln. Das darf man ihnen nicht nehmen, indem Ängste provoziert werden. Wir brauchen vielmehr in den Vereinen kompetente Menschen, die Kinder sportpädagogisch und trainingswissenschaftlich begleiten. Dann können wir auch präventiv darauf einwirken, dass Jungen zu früh mit dem Pumpen anfangen, einzelne Muskeln überproportional trainieren, den Oberkörper in die Masse bringen und dabei die Schultergelenke belasten oder sich einen Bizepsabriss holen. Oder dass Mädchen in Sportsucht abgleiten.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Familie macht Picknick auf einer Wiese

Rundum gut versorgt

Für die Gesundheit Ihrer Familie.

Bei dem Wunsch, den eigenen Körper zu optimieren, kommen auch Dopingsubstanzen und Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz. Wie lautet Ihr Rat dazu?

Redaktion

Hier kann ich Eltern nur raten, kritisch hinzusehen. Die Jugendlichen bestellen hier viel über das Internet, ein völlig unregulierter Bereich, mit Pulvern aus dem asiatischen Raum. Die Zusammensetzung ist häufig unklar, das Pulver kann kontaminiert sein und zu ernsthafter Gesundheitsgefährdung führen. Und gerade Dopingsubstanzen enthalten häufig Hormone, die auf riskante Weise in Wachstumsphasen eingreifen.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Viele Eltern sehen den übermäßigen Verzehr von Proteinen – in Kombination mit Krafttraining – ebenfalls kritisch. Wie viel Proteine sind gesund für Kinder und Jugendliche?

Redaktion

Die Muskeln brauchen das Protein als Baustoff. Das heißt: Proteine sind erst einmal gut, genauso wie Kohlenhydrate und Fette. Das Problem ist nur, dass einige meinen, viel helfe viel. Das ist nicht der Fall. 1 bis 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht sind sinnvoll, um Muskeln aufzubauen. Meine Empfehlung ist, natürliche Proteine in hoher Qualität zu sich zu nehmen, etwa über Fisch, Tofu, Linsen oder Magerquark, und eben nicht über Nahrungsergänzungsmittel. Aber weil Proteine den Säure-Basen-Haushalt verändern, ist es schon sinnvoll, das im Blick zu halten.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Ihr Credo bezüglich Krafttraining bei Kindern lautet also …?

Redaktion

Muskeltraining ist gut, auch für Kinder und Jugendliche. Es darf nur nicht in eine überproportionale körperliche Ausformung münden und schon gar nicht begleitet werden durch Fehl- oder Suchtverhalten wie Doping oder Sportzwang. Im Mittelpunkt muss immer die Ganzkörperentwicklung stehen, also die Ausbildung von Geschicklichkeit, Beweglichkeit und Fertigkeiten. Und dafür brauchen wir die Muskulatur, aber in einer vernünftigen, gesunden und ausgewogenen Masse.

Prof. Dr. Ingo Froböse

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Letzte Änderung: 28.06.2023