Vieles spricht für das Mammographie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs. Doch es gibt auch Kritikpunkte. Schadet es mehr als es nützt? Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes, über Vor- und Nachteile.
Leiterin des Krebsinformationsdienstes
Dr. Weg-Remers, warum ist das Mammographie-Screening nicht unumstritten?
Durch das Mammographie-Screening lässt sich Brustkrebs schon sehr früh entdecken – viel früher als durch regelmäßiges Abtasten und viel genauer als durch Ultraschall oder andere Untersuchungen. Frauen müssen aber damit rechnen, dass es bei ihnen auch einmal zu falschem Alarm kommen kann: Nach der Mammographie wird Brustkrebs vermutet, obwohl sie gar nicht krank sind. Dieser Verdacht lässt sich erst durch weitere Untersuchungen ausschließen.
Einige Experten sind der Ansicht, dass das Mammographie-Screening mehr schadet als nützt. Sie gehen davon aus, dass die Untersuchung nur sehr wenigen Frauen das Leben rettet, im Verhältnis dazu aber viele belastet. Damit meinen sie nicht nur die Sorge durch einen Brustkrebsverdacht, der sich dann nicht bestätigt. Sie gehen zudem davon aus, dass auch Frauen zu Patientinnen werden, bei denen der Brustkrebs ohne Screening nie zu Problemen geführt hätte.
Befürworter des Screenings führen dagegen an, dass bei frühzeitiger Entdeckung nicht nur die Heilungschancen steigen, sondern auch eine weniger aggressive Behandlung möglich ist. Für sie übersteigen die Vorteile die möglichen Risiken.
Und wonach kann ich mich nun richten?
Abgeschlossen ist die Diskussion um das Mammographie-Screening noch nicht. Die Einschätzung von Nutzen und Nachteilen wurde lange auch dadurch erschwert, dass es unterschiedliche Zahlen dazu gab. Inzwischen haben wir für Deutschland mehr Daten aus der Auswertung des bisherigen Screening-Programms. Jede Frau erhält zusammen mit der Einladung ausführliche Informationen dazu, was die vorliegenden Zahlen für sie bedeuten können.
Außerdem hängt die Bewertung des Mammographie-Screenings davon ab, wie man die einzelnen Vor- und Nachteile für alle untersuchten Frauen insgesamt gewichtet. Anders gesagt: Wie viel zusätzliche Belastung durch das Screening nimmt man in Kauf, wenn dadurch einer bestimmten Zahl von Frauen das Leben gerettet werden kann?
Was für Nachteile kann das Screening denn im Einzelnen haben?
Der schwerwiegendste Nachteil ist eine sogenannte Überdiagnose. Das bedeutet, dass im Screening zwar ein Brusttumor gefunden wird – dieser hätte der Frau im Laufe ihres weiteren Lebens jedoch keine Probleme bereitet. Das ist etwa bei Tumoren der Fall, die nur langsam und wenig aggressiv wachsen. Die Frau wird dadurch aber als Krebspatientin eingestuft und erhält eine belastende Therapie, die womöglich gar nicht notwendig gewesen wäre. Leider gibt es noch keine zuverlässigen Kriterien, um solche Tumoren sicher von denen zu unterscheiden, die irgendwann Beschwerden verursachen.
Außerdem weiß man aus dem deutschen Screening-Programm, dass zunächst bei etwa 30 von 1.000 Frauen, die sich untersuchen lassen, etwas Auffälliges gefunden wird. Das bedeutet, diese Frauen müssen wegen des verdächtigen Mammographie-Befundes weiter untersucht werden. Aber nur bei sechs von 1.000 dieser Frauen bestätigt sich letztendlich die Diagnose. Bei den anderen 24 liegt kein Krebs vor, und die Mammographie hat sie sozusagen unnötig beunruhigt und belastet. Bis das Ergebnis der weiteren Untersuchungen vorliegt, muss sich die Frau mit der Möglichkeit auseinandersetzen, womöglich an Krebs erkrankt zu sein.
Und dann gibt es noch wenige Patientinnen, bei denen sich der Brustkrebs sehr rasch entwickelt: Bei etwa 2 von 1.000 Frauen wird die Diagnose in den zwei Jahren bis zum nächsten Screening-Termin gestellt, obwohl in ihrem Mammographie-Befund noch nichts darauf hingedeutet hatte.
AOK-Patientenbegleitung
Unterstützung für Krebspatienten.
Die Entstehung von Brustkrebs kann das Screening nicht verhindern. Wie rettet es dann überhaupt Leben?
Das ist richtig, die Mammographie kann nicht verhindern, dass Krebs entsteht. Die Hoffnung ist aber, dass bei möglichst vielen Frauen der Krebs früh entdeckt wird. Frauen mit kleinen Tumoren, die noch nicht gestreut haben, können häufig geheilt werden. Viele benötigen auch eine weniger belastende Therapie.
Experten gehen in Deutschland derzeit davon aus, dass zwei bis sechs von 1.000 Frauen, die über 20 Jahre regelmäßig am Mammographie-Screening teilnehmen, vor dem Krebstod bewahrt werden können. Es gibt aber nach wie vor auch Studien, in denen andere Zahlen genannt werden.
Was würden Sie den Frauen nun empfehlen?
Ich kann nur den Rat geben, sich mit Blick auf die eigene Situation ausführlich über die möglichen Vor- und Nachteile des Screenings beraten zu lassen. Das gilt besonders für Frauen, bei denen es schon Brustkrebspatientinnen in der Familie gab. Bei deutlichen Anzeichen für ein vererbbares Risiko kann die Früherkennung angepasst werden und zum Beispiel auch ein Gentest infrage kommen.
Jede Frau muss letztlich aber für sich selbst entscheiden, ob sie zusätzliche Belastungen und Risiken in Kauf nehmen möchte, um einen möglichen Brustkrebs sehr früh zu erkennen.
Lesen Sie mehr zum Mammographie-Screening sowie den Vor- und Nachteilen in der Entscheidungshilfe des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss).
Letzte Änderung: 21.09.2020
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