Ständig unruhig, unkonzentriert, schnell aufbrausend oder sehr verträumt: Rund jedes zwanzigste Kind in Deutschland hat ADHS, eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung. Was das für Eltern bedeutet, wie die Erkrankung diagnostiziert wird und warum Medikamente nicht immer nötig sind.
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
ServiceCenter AOK-Clarimedis
Die Abkürzung ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung. Charakteristisch für die Erkrankung sind laut Robert Koch-Institut (RKI) drei Kernsymptome:
Die Symptome sind jedoch individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Außerdem müssen sie nicht alle gleichzeitig auftreten. So gibt es beispielsweise Betroffene, die kaum hyperaktive Symptome aufweisen. Sie sind in der Regel nach außen nicht unruhig, sondern verträumt, unkonzentriert und leicht ablenkbar. Die Übergänge zwischen den Ausprägungen sind fließend und die Abgrenzung folglich nicht leicht. Für das Krankheitsbild in jedem Fall typisch: Trödeln, Dinge vergessen und schnell aus der Haut fahren.
Meist zeigen sich die ADHS-Symptome schon im frühen Kindesalter. In der Regel wird die Diagnose nicht vor dem 6. Lebensjahr gestellt. In der Hälfte der Fälle bleibt die Symptomatik bis ins Erwachsenenalter bestehen. Um die Einschränkungen im Alltag möglichst gut in den Griff zu bekommen, ist eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sinnvoll.
Nur weil Ihr Kind mal zappelig und unaufmerksam ist, muss es nicht von ADHS betroffen sein. Eine genaue Diagnose können Fachleute stellen, etwa Kinder- und Jugendpsychiater. Mit der richtigen Behandlung können aber auch Kinder mit ADHS einen nahezu normalen Alltag haben.
Zu den genauen Ursachen der ADHS forschen Fachleute noch. Derzeit wird davon ausgegangen, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen können. Bei ADHS-Patienten liegt unter anderem ein Rezeptordefekt im Gehirn vor. Dadurch verarbeitet das Gehirn manche Impulse nicht korrekt, was sich beispielsweise negativ auf Konzentration und Impulskontrolle auswirkt.
Eine familiäre Vorbelastung begünstigt diese Stoffwechselstörung. Alkohol, Rauchen oder andere Drogen während der Schwangerschaft erhöhen laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte das Risiko eines Kindes, an ADHS zu erkranken. Gleiches gilt, wenn das Kind deutlich zu früh geboren wird.
Schwierige soziale Verhältnisse scheinen nach derzeitigen Erkenntnissen nicht die Ursache einer ADHS zu sein. Erlebnisse wie Gewalt, instabile Familienverhältnisse oder häufige Bestrafungen können jedoch einen Einfluss darauf haben, wie ausgeprägt ADHS im Einzelfall ist.
Etwa 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden laut RKI weltweit unter ADHS. Laut der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) haben 4,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen in ihrem Leben eine solche Diagnose erhalten.
Jungs sind dabei deutlich häufiger betroffen als Mädchen. Wie kommt das? Jungs zeigen laut verschiedenen Studien häufiger ein Krankheitsbild, bei dem starke körperliche Unruhe auftritt. Da diese deutlicher zu beobachten ist, wird die Diagnose ADHS oft früher gestellt.
Viele Kinder, die an ADHS erkrankt sind, fallen unter anderem durch extremen Bewegungsdrang und innere Unruhe auf. Andere Kinder sind eher verträumt. Zudem sind sie meist leicht ablenkbar und reagieren schnell aufbrausend. Insgesamt können sie ihre Impulse schwer kontrollieren.
Wenn das Kind so hibbelig und unkonzentriert ist, dass das Lernen von altersgerechten Sachen schwerfällt, kann das ein Hinweis auf ADHS sein.
Oft wird die Erkrankung mit dem Schulbeginn ein Problem. Den Kindern fällt es allgemein schwer, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Ihre Gedanken schweifen schnell ab oder sie brauchen für die Aufgaben deutlich zu lange. Das kann zu Schulfrust führen. Weil sie ihre Emotionen weniger gut im Griff haben als Gleichaltrige, reagieren viele Kinder mit ADHS schnell gereizt und zu impulsiv. Das ist für das Gegenüber oft schwer nachvollziehbar und kann soziale Probleme mit sich bringen.
Haben Eltern den Eindruck, dass ihr Kind an ADHS erkrankt sein könnte, ist es oft hilfreich, sich zunächst mit den Erziehern oder Lehrern des Kindes auszutauschen. Sie können ihre Einschätzung zum Verhalten des Kindes außerhalb des Familienalltags abgeben. Bestätigen diese den Verdacht oder sind die Eltern weiterhin beunruhigt, ist die Kinder- oder Jugendarztpraxis eine gute erste Anlaufstelle. Hier kann bei Bedarf die weitere Diagnostik eingeleitet werden.
Um herauszufinden, ob das Kind an ADHS erkrankt ist, ist die Befragung der Eltern ein wichtiges Element. Meist geschieht das über einen Fragebogen. Auch die Beobachtungen anderer Bezugspersonen können helfen (Fragebögen für Lehrkräfte oder Erzieher).
Außerdem ist eine eingehende Untersuchung des Kindes notwendig. Dabei werden beispielsweise Hör- und Sehvermögen getestet sowie motorische Fähigkeiten. Gezielte Tests wie Intelligenztests und auch weiterführende Tests zur Überprüfung von beispielsweise der Lese- und Schreibfertigkeiten können je nach Profil des Kindes ebenfalls zum Einsatz kommen.
Besonders bei Erwachsenen ist ADHS nicht leicht zu diagnostizieren. Denn viele Kriterien wurden für Kinder und Heranwachsende konzipiert. Die sogenannten Wender-Utah-Kriterien wurden daher speziell für Erwachsene entwickelt, die unter ADHS leiden. Neben Vergesslichkeit und innerer Unruhe wird hier auch geprüft, ob die Person Stimmungsschwankungen aufweist, Aufgaben schwer zu Ende bringen kann oder Probleme hat, den Alltag zu strukturieren.
Versorgung bei ADHS
Hilfe für Kinder und ihre Familien.
Die gute Nachricht vorweg: Mit einer konsequenten Therapie sind die ADHS-typischen Verhaltensauffälligkeiten vielfach gut behandelbar, auch wenn die Erkrankung nicht heilbar ist. In erster Linie geht es darum, dass die Patienten einen möglichst normalen Alltag haben können.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt eine Behandlung, die sich auf mehreren Säulen stützt. Möglich sind beispielsweise Psychotherapie und pädagogische Angebote. In einer Verhaltenstherapie lernen die Patienten ihre Stärken kennen, bauen so Selbstbewusstsein auf und lernen ihr Verhalten besser zu kontrollieren.
Ein spezielles Elterntraining unterstützt die Familie bei der Bewältigung des Alltags mit Struktur und liebevoller Konsequenz. Je nach Ausprägung und aktueller Problematik kann gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie zusätzlich sinnvoll sein. Die Therapien können sich im Zeitverlauf verändern und müssen an die jeweilige Problematik angepasst werden.
Der ADHS-Elterntrainer und das AOK-Expertenforum Eltern & Kind bieten ebenfalls eine gute Unterstützung.
Nicht jedes ADHS-Kind muss mit Medikamenten behandelt werden. Ob das sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Medikamente können jedoch dazu führen, dass auch andere Therapien bessere Erfolge erzielen. Eine Beratung ist wichtig, bevor Medikamente gegeben werden. Experten empfehlen Medikamente, wenn …
Wirkstoffe wie Methylphenidat (auch bekannt unter Ritalin) oder Dexamphetamin sowie weitere Medikamente kommen zum Einsatz. Laut Fachleuten gilt die Einnahme solcher Mittel als leitliniengerecht und die Therapie als wirksam – vorausgesetzt das Kind hat eine gesicherte Diagnose. Eine Abhängigkeit entsteht nicht durch die Medikamente. Mögliche Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Schlafprobleme können auftreten und müssen berücksichtigt werden.
Eine Empfehlung für eine bestimmte Diät gibt es derzeit nicht. Eine ausgewogene Ernährung mit wenig Zucker und wenig gesüßten Getränken, reichlich Gemüse und Obst ist generell empfehlenswert. Bei eingeschränkter oder einseitiger Ernährung sollten eventuelle Nährstoffdefizite gegebenenfalls ausgeglichen werden.
Letzte Änderung: 07.04.2022
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