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Lipödem: Störung der Fettverteilung

ArtikelLesezeit: 5:00 min.
Frau mit Hanteln im Wasser

Bildnachweis: © istockphoto.com / FatCamera

Ein Lipödem ist eine übermäßige Fettvermehrung an den Beinen und/oder Armen, die mit Schmerzen einhergeht. Vor allem Frauen leiden daran. Über die Krankheit ist bisher nicht viel bekannt. Oft wird sie sogar als Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas) fehlgedeutet. Das Lipödem bleibt deshalb lange unerkannt – für Betroffene eine große psychische Belastung. Lesen Sie hier, wie man ein Lipödem erkennt und wie es behandelt wird.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Lydia Möller-Herkenhoff

Fachärztin für Chirurgie
ServiceCenter AOK-Clarimedis

Was ist ein Lipödem?

Einem Lipödem liegt eine chronische Störung der Fettverteilung zugrunde. Dabei vermehrt sich das Unterhautfettgewebe stark. Das Fett lagert sich dann vor allem an den Beinen an, häufig auch an den Armen. Bauch, Oberkörper Hände und Füße sind dabei nie betroffen.  Das Aussehen von Armen und Beinen verändert sich dadurch stark. Vor allem der Umfang nimmt zu. Der Rest des Körpers bleibt hingegen normal. Dadurch entsteht ein Missverhältnis in den Körperproportionen. Die Fettverteilungsstörung allein begründet aber nicht die Diagnose Lipödem.

Denn neben den körperlichen Veränderungen ist das Lipödem auch mit mehr oder weniger starken Schmerzen verbunden. Denn die Haut ist an den betroffenen Stellen besonders druck- und berührungsempfindlich. Typisch ist auch eine Neigung zu blauen Flecken selbst ohne relevante Verletzungen. Wassereinlagerungen können vorhanden sein, finden sich aber nur bei einem sehr kleinen Anteil der Patientinnen.

Lipödem vor allem Frauenleiden

Die Fettverteilungsstörung tritt fast ausschließlich bei Frauen auf – nach der Pubertät, einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren. Wie viele Frauen davon betroffen sind, ist nicht klar. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland zwischen 40.000 bis vier Millionen Frauen daran leiden könnten.

Ödem, Lymphödem, Lipödem: Was ist was?

Ödem bedeutet wortwörtlich übersetzt „Schwellung“. Im medizinischen Sprachgebrauch ist mit Ödem aber immer eine Wassereinlagerung ins Gewebe gemeint. Diese kann aufgrund verschiedener Ursachen entstehen. Eine Form sind zum Beispiel Wassereinlagerungen in den Beinen wenn man zu lange steht oder sitzt oder bei Herz- oder Nierenerkrankungen.

Ein Lymphödem ist eine Schwellung aufgrund von Lymphflüssigkeit, die nicht richtig abfließen kann und sich im Gewebe sammelt.

Ein Lipödem ist eine schmerzende Schwellung, bei der eine Störung der Fettverteilung vorliegt. Hinzu kommt die Neigung zu blauen Flecken und eine vermehrte Berührungsempfindlichkeit. Tritt zusätzlich ein Lymphödem auf, wird dies als Lipo-Lymphödem bezeichnet.

Wie entsteht ein Lipödem?

Über die Ursachen ist bisher wenig bekannt. Experten gehen davon aus, dass hormonelle Veränderungen eine Rolle spielen können. Denn oftmals bildet sich das Lipödem nach der Pubertät, einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren. Auch eine Vererbung wird diskutiert: häufig sind nämlich zwei oder mehrere Frauen einer Familie davon betroffen.

Das Gewicht hat hingegen keinen Einfluss auf die Entstehung. Übergewicht oder Adipositas können aber ähnliche Beschwerden hervorrufen. Manche Frauen leiden auch unter beiden Erkrankungen. Sehr viele Lipödem-Patientinnen sind auch übergewichtig. Starke Gewichtsschwankungen können das Voranschreiten der Krankheit aber fördern.

Was sind die Symptome eines Lipödems?

Folgende Anzeichen können auf ein Lipödem hindeuten:

  • Beidseitige (symmetrische) Zunahme von Fettgewebe an Armen oder Beinen
  • Oberkörper, Bauch, Hände und Füße bleiben schlank
  • Berührungs- und Druckschmerzen
  • Anfälligkeit für Blutergüsse
  • Schwere- und Spannungsgefühl in Armen und Beinen
  • Gewichtszunahme

Abgesehen von den Symptomen äußerst sich die Erkrankung bei jeder Betroffenen anders. Die Fettverteilungsstörung kann zum Beispiel nur an den Oberschenkeln auftreten oder auch die kompletten Beine betreffen.

Warum die Schmerzen auftreten, können Mediziner bisher nicht genau klären. Ergebnisse einer Studie deuten darauf hin, dass neben einer entzündlichen Komponente auch die Psyche eine Rolle spielt.

So wird das Lipödem eingeteilt:

GradBetroffene Körperregion
IGesäß und Hüfte (sogenannte Reiterhosen sind typisch)
IIGesäß, Hüfte, Oberschenkel
IIIGesäß, Hüfte, Beine
IVBeine und Arme

Bei einer Person können auch mehrere Formen gleichzeitig vorkommen. Überwiegend zeigt sich das Lipödem allerdings an den Beinen. Bei 30 Prozent der betroffenen Frauen kommt das Lipödem an den unteren und oberen Gliedmaßen vor.

Verlauf und Stadien

Ein Lipödem bildet sich nicht von allein zurück. Es kann voranschreiten und sich verschlechtern oder unverändert bleiben. Zur besseren Abgrenzung wird das Lipödem in drei Stadien eingeteilt:

  • Stadium 1: Die Haut ist glatt. Das Fettgewebe ist tastbar und verdickt, aber gleichmäßig in der Unterhaut verteilt.
  • Stadium 2: Die Haut ist uneben und überwiegend wellenartig. Das Fettgewebe ist knotenartig tastbar.
  • Stadium 3: Das Fettgewebe ist stark verhärtet. Es bilden sich überhängende Hautfalten, vor allem an Oberschenkel- und Knieinnenseiten. An der Hautoberfläche zeigen sich große Dellen.

Wie sich ein Lipödem entwickelt, ist bei jeder betroffenen Frau individuell verschieden. Frauen, denen es gelingt, ihr Gewicht zu halten, können oft eine Verschlechterung verhindern oder deutlich verzögern. Übergewicht oder Adipositas kann sich hingegen negativ auf den Verlauf auswirken.

Folgen und Begleiterkrankungen eines Lipödems

Neben den sichtbaren Auswirkungen des Lipödems und den Symptomen können auch noch weitere Komplikationen entstehen. Ob diese auftreten oder wie stark sie ausfallen, ist bei jeder Frau anders. Zu den häufigsten zählen:

Hautdefekte und Entzündungen

Starke Fetteinlagerungen an den Innenseiten der Oberschenkel stören beim Gehen und können die Haut durch die ständige Reibung aufscheuern. An den offenen Stellen können Entzündungen und Infektionen entstehen.

Fehlstellungen und Gelenkbeschwerden

Bei einem großen Umfang der Oberschenkel kann es zu Fehlstellungen der Beine hin zu X-Beinen kommen. Zudem belastet das vermehrte Gewicht die Gelenke in den Beinen, besonders die Kniegelenke. Fehlstellungen und Gewicht können dann dazu führen, dass diese schneller verschleißen.

Sekundäres Lymphödem

Ein fortgeschrittenes Lipödem im Unterschenkel kann dazu führen, dass die Lymphflüssigkeit nicht mehr richtig abfließt und sich staut. Dieses sogenannte sekundäre Lymphödem, das auch als Lip-Lymphödem bezeichnet wird, lässt die Beine noch mehr anschwellen – sowie zusätzlich die Füße. Entsteht ein Lymphödem infolge eines Lipödems spricht man auch von einem Lipo-Lymphödem.

Therapie: Wie wird das Lipödem behandelt?

Heilen lässt sich das Lipödem bisher nicht. Mit der passenden Therapie lassen sich aber die Symptome erträglicher machen. Behandelt wird das Lipödem in erster Linie konservativ.

Wenn keine Wassereinlagerungen vorliegen, ist regelmäßige Bewegung wichtig. Auch ein annähernd normales Gewicht zu halten oder zu erreichen ist vorteilhaft. Kompressionsstrümpfe können die Beschwerden ebenso lindern. Eine psychologische Unterstützung ist in vielen Fällen hilfreich.

Eine medikamentöse Therapie zur Entwässerung ist nicht geeignet. Sie kann die Beschwerden gegebenenfalls sogar verschlechtern. In einzelnen Akutsituationen können schmerzlindernde Medikamente erwogen werden. Das sollten Patientinnen jedoch vorab mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin abklären.

Bei begleitendem Lymphödem kann eine sogenannte komplexe physikalische Entstauungsbehandlung (KPE) angewandt werden. Bei einem stark ausgeprägten Lipödem kommt außerdem als operative Therapie die Fettabsaugung infrage. Da diese Therapie nicht für jede Lipödem-Patientin geeignet ist, muss hier ein Mediziner zurate gezogen werden, der Erfahrung mit der Behandlung eines Lipödems hat.

Komplexe physikalische Entstauungsbehandlung (KPE)

Die KPE ist eine Kombination aus verschiedenen Anwendungen. Diese müssen konsequent und lebenslang durchgeführt werden. Ziel ist es, Wassereinlagerungen zu verringern. Das hilft, den Umfang von Armen oder Beinen zu reduzieren und dadurch auch die Schmerzen zu lindern. Die Fettvermehrung kann damit jedoch nicht gestoppt werden. Die KPE umfasst:

  • Kompressionstherapie: Betroffene Frauen können täglich medizinische Kompressionskleidung tragen, wenn diese die Beschwerden lindern. Das lässt sich einfach ausprobieren. Es kommen Kompressionsstrümpfe, -strumpfhosen, -leggings,
    -Radlerhosen oder -Bolerojacken zum Einsatz.
  • Manuelle Lymphdrainage: Die manuelle Lymphdrainage ist eine physiotherapeutische Behandlungsform. Mit ihr wird der Abtransport der Lymphflüssigkeit angeregt und gefördert. Die Lymphdrainage muss regelmäßig wiederholt werden. Sie ist nur sinnvoll, wenn Wassereinlagerungen vorliegen.
  • Bewegung: Durch regelmäßige Bewegung werden die Schmerzen reduziert. Lipödem-Patienten profitieren vor allem von Wassersportarten wie Schwimmen, Aqua-Jogging oder Wassergymnastik. Sie gelten als besonders effektiv: Der Auftrieb im Wasser entlastet die Gelenke, der Wasserdruck wirkt wie eine Lymphdrainage. Zudem werden durch die Bewegung gegen den Wasserwiderstand viele Kalorien verbraucht. Aber auch andere Sportarten wie Gymnastik, Walken oder Radfahren unterstützen das Gewichtsmanagement.
Frau mit Headset am Computer.

AOK-Clarimedis

Medizinische Hilfe am Telefon.

Was Betroffene sonst noch tun können

Ein Lipödem lässt sich weder wegtrainieren noch mit Diäten heilen. Dennoch wird Betroffenen empfohlen, auf ihr Gewicht zu achten. Denn Übergewicht oder Adipositas kann das Lipödem und die Beschwerden verschlimmern. Die wichtigsten Empfehlungen sind deshalb:

  • möglichst viel Bewegung, zwei- bis dreimal pro Woche Sport treiben
  • gesunde und ausgewogene Ernährung
  • Abnehmen, wenn möglich mit einer Ernährungsumstellung oder gewichtsreduzierenden Therapie.

Fettabsaugung (Liposuktion)

Bei einer Fettabsaugung (Liposuktion) wird krankhaftes Unterhautfett an Armen und Beinen reduziert. Die Fettabsaugung kann mit verschiedenen Techniken durchgeführt werden. Bei allen wird zunächst das Fettgewebe gelockert und dann abgesaugt. Die Behandlung ist sowohl ambulant als auch stationär möglich.

Mit der Operation können die Symptome bei richtiger Indikationsstellung zunächst (deutlich) verbessert werden. Gerade bei Scheuerstellen lassen sich die Komplikationen deutlich reduzieren. Aber auch eine Liposuktion führt nicht zur vollständigen Heilung: oftmals verstärkt sich das Lipödem wieder.

Die genauen Erfolgsaussichten und Vorteile der Operation sind medizinisch umstritten und werden derzeit wissenschaftlich in einer groß angelegten Studie untersucht. Auch wann eine Operation sinnvoll ist, wird derzeit diskutiert und erforscht. Daher übernehmen die Krankenkassen zurzeit nur in bestimmten Fällen die Kosten für die Operation, die stark von der individuellen Situation der Patientinnen abhängt.

Welche Kosten übernimmt die Krankenkasse?

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die konservative Therapie. Eine Liposuktion müssen Betroffene häufig selbst finanzieren. In bestimmten Fällen übernehmen die Kassen aber auch dafür die Kosten. Die Voraussetzungen sind:

  • Diagnostiziertes Lipödem Stadium III
  • Vorausgegangene konservative Therapie vonmindestens sechs Monaten ohne Verbesserung der Krankheitssymptome
  • BMI unter 35

Letzte Änderung: 21.09.2021