Die Kinder werden flügge, die eigenen Eltern brauchen immer mehr Hilfe und beruflich geht es auch nicht weiter: die Lebensmitte hat es in sich. Viele Menschen zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr geraten dann in die Midlife-Crisis. Im Interview erzählt Psychologin Heike Maier, warum so viele Menschen im mittleren Alter in die Krise geraten, welche Unterschiede es zwischen Frauen und Männern gibt – und wie man die Midlife-Crisis bezwingt.
Dipl.-Psychologin
ServiceCenter AOK-Clarimedis
In welchem Alter tritt die Midlife-Crisis auf?
Ab etwa Mitte 30 werden Menschen immer unzufriedener, mit Mitte 40 durchschreiten sie oft die Talsohle. Wir wissen aus länderübergreifenden Studien, dass diese Krise in der Mitte des Lebens ein fast universelles Phänomen ist. Bei Befragungen in mehr als 80 Ländern, in Industriestaaten, aber auch etwa in Simbabwe und Mexiko, hat sich immer wieder herausgestellt, dass die Kurve von Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden u-förmig verläuft – unabhängig von Familienstand, Einkommen oder Geschlecht. Forschende nennen es auch die U-Kurve des Glücks. Nach der Talsohle geht es den Menschen dann wieder zunehmend besser.
Und warum geraten so viele Menschen in der Lebensmitte in die Krise?
Eine Midlife-Crisis äußert sich etwa durch Unzufriedenheit, Hilflosigkeit, Einsamkeit, Frust. Man leidet unter Zukunftsängsten, Selbstzweifeln und Ängsten und kann auch depressive Symptome entwickeln. Warum das passiert, hängt mit einigen psychologischen Faktoren zusammen: Die Kinder sind in der Pubertät oder ziehen aus, langjährige Partnerschaften werden häufig hinterfragt. Die Eltern werden krank oder versterben und das Thema Tod rückt insgesamt ein bisschen näher. Viele realisieren, dass mehr aktive Lebenszeit hinter als vor ihnen liegt. Das bringt verschiedene Ängste mit sich: vor dem Alleinsein im Alter, vor finanziellen Sorgen oder davor, dass man im Job abgehängt wird. Viele ziehen in dieser Lebensphase eine Bilanz ihres bisherigen Lebens. Manche hadern mit Entscheidungen in der Vergangenheit oder damit, dass Chancen ungenutzt blieben und manche Wünsche nicht mehr zu erreichen sind. Hinzu kommen körperliche und hormonelle Veränderungen. Bei Frauen sinkt der Östrogenspiegel, bei Männern das Testosteron. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, körperliche Gebrechen nehmen zu. Man ist müder, langsamer und schwächer. Außerdem verändern sich oft auch Bedürfnisse und Wünsche. Was einen früher vielleicht zufrieden und glücklich machte, funktioniert nicht mehr – und man muss sich neu orientieren.
Wie unterscheidet sich die Midlife-Crisis bei Männern und Frauen?
Frauen und Männer haben zwar gleichermaßen Probleme in der Lebensmitte, aber gehen unterschiedlich damit um, wie die Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello Derek herausgefunden hat. Frauen tauschen sich generell mehr mit anderen aus und gehen schon bei kleineren Unzufriedenheiten eher ins Gespräch. Sie kommen daher meist besser durch diese Zeit, obwohl die hormonellen Veränderungen deutlich gravierender sind als bei Männern. Diese sind hingegen sehr partnerzentriert und sprechen, abgesehen von der Partnerin, kaum mit anderen über persönliche Angelegenheiten. Dadurch entstehen bei Männern häufig radikalere Brüche und es kommt öfter zu klischeehaften Lösungsstrategien wie dem sportlichen Auto oder der jüngeren Geliebten. Frauen wiederum suchen mit zunehmendem Alter häufig noch einmal aktiv nach Unabhängigkeit und entschließen sich beispielsweise, die Beziehung zu verlassen.
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Gab es die Midlife-Crisis schon immer oder ist sie ein Ergebnis unserer leistungsorientierten Gesellschaft?
Der Begriff der Midlife-Crisis wurde erstmals 1965 durch einen Psychoanalytiker geprägt. Populär wurde er dann aber erst in den 70er-Jahren durch popkulturelle Einflüsse aus den USA. Die Krise in der Lebensmitte ist ein globales Phänomen, aber Pasqualina Perrig-Chiello Derek etwa geht davon aus, dass die Unzufriedenheit im mittleren Alter durch die Omnipräsenz von jungen, schönen und leistungsstarken Menschen auf jeden Fall zunimmt.
Was hilft bei einer Midlife-Crisis?
Es ist wichtig anzuerkennen, dass man die zweite Lebenshälfte nicht nach dem Muster der ersten Lebenshälfte leben muss oder kann. Es gilt, die Veränderung zu akzeptieren, sich mit unangenehmen Gefühlen und Erfahrungen auseinanderzusetzen und Lösungen zu suchen. Besonders zufrieden sind Menschen, die vorausplanen und sich darauf einstellen, was ihr Leben künftig bringen könnte. Es hilft, sich mit anderen auszutauschen, Zuversicht zu entwickeln und die Anspruchshaltung anzugleichen. Außerdem ist es wichtig, seine körperliche und geistige Fitness zu trainieren. Sport hält nicht nur den Körper fit, sondern erhöht auch die Funktionsfähigkeit des Gehirns. Wenn man die Veränderung als Chance begreift und sich neu ausrichtet, kann man sein Wohlbefinden positiv beeinflussen und eine zufriedene Zukunft gestalten. Offenbar gelingt das vielen. Schließlich geht die Glückskurve mit Mitte 40 meist wieder nach oben.
Letzte Änderung: 01.12.2022
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