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Was macht Wut im Körper?

ArtikelLesezeit: 2:00 min.
Wütende Frau gestikuliert wild im Auto

Bildnachweis: © stock.adobe.com / Prostock-studio

Die Wut packt uns plötzlich, der Blutdruck steigt, der Körper spannt sich an – die Energie will heraus. Doch wie gesund ist es, der Wut freien Lauf zu lassen oder sie zu unterdrücken?

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Heike Maier

Dipl.-Psychologin
ServiceCenter AOK-Clarimedis

Warum habe ich Wut in mir?

Wut ist ein starkes Gefühl, ausgehend vom limbischen System. Das ist der Teil des Gehirns, in dem Emotionen verarbeitet werden. Hier entsteht die Wut als Reaktion auf äußere Sinnesreize wie Bilder oder Worte. Sie ist wie ein Alarmsystem, das den Körper in einen Zustand hoher Erregung versetzt, der zunächst nur schwer zu kontrollieren ist. Typische Auslöser sind Kritik, Ungerechtigkeit, übergriffiges Verhalten, gezieltes Herabsetzen des Selbstwertgefühls oder akute Überforderung. Wut ist eine Schutzreaktion des Körpers, weil sie den inneren Druck kanalisiert, auf der Suche nach einem Ventil.

Welche Bedürfnisse stehen hinter Wut?

Jeder Mensch hat Bedürfnisse. In der Psychologie sind dies (nach Epstein):

  • Bedürfnis nach Orientierung
  • Bedürfnis nach Kontrolle
  • Bedürfnis nach Bindung
  • Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung
  • Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und -schutz

Wer wütend auf andere Menschen oder Ereignisse reagiert, hat das Bedürfnis, sich zu wehren, etwa um die Kontrolle zurückzubekommen. Es geht darum, seine Grenzen wiederherzustellen, den „Angreifer“ zu vertreiben, vehement Gerechtigkeit einzufordern oder körperlichem und seelischem Schmerz ein Ende zu bereiten. Das gelingt allerdings nur, wenn die Wut so groß ist, dass daraus eine aktive Handlung resultiert, die umgehend umgesetzt wird – denn das Erregungslevel sinkt in der Regel schnell wieder ab.

Lassen wir uns in dieser Situation zu blinder Wut verleiten, die in einem Affekt – also in einer nicht reflektierten, spontanen Handlung – mündet, können wir unseren Mitmenschen oder uns selbst körperlichen oder psychischen Schaden zufügen. In diesem Augenblick sind wir außerdem womöglich der Auslöser für die Wut anderer.  

Wie zeigt sich unterdrückte Wut im Körper?

Unterdrückte Wut erzeugt Stress. Unser Atem wird schneller, das Gesicht rot, die Muskulatur spannt sich an. Chronischer Stress begünstigt körperliche Symptome und Erkrankungen bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

In der Wuttherapie erhalten Patienten deshalb ausdrücklich die Erlaubnis, ihre Gefühle wahrzunehmen, zu spüren, welche Impulse daraus resultieren und welche Fantasien sie auslöst. Manchmal sind solche Fantasien ein Weg, die Wut ziehen zu lassen. Aber auch körperliche Ventile wie ein tiefer Schrei oder Kissenboxen sind eine Möglichkeit, Druck abzubauen und die Emotion zu verarbeiten.

Das bewusste Wahrnehmen des eigenen Stresslevels ist außerdem hilfreich, um frühzeitig gegenzusteuern, bevor es zu einer Gefühlsexplosion kommt.

Mutter und Tochter laufen über eine Obstbaumwiese

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Warum ist Wut gut für die Psyche?

Wut – und der noch gefühlsintensivere Zorn – ist eine gesellschaftlich und kulturell in der Regel nicht erwünschte Emotion. Sichtbar wütende Menschen gelten als unkontrolliert und unbeherrscht, mitunter als gefährlich und angsteinflößend.

Andererseits ist es durchaus gesund, wütend zu sein. Denn über lange Zeit unterdrückte Wut kann zu Unsicherheit, Angst- oder Zwangsstörungen, passiv-aggressivem Verhalten und emotionaler Instabilität führen.

Unterdrückte Wut ist häufig eine nach innen gewandte Aggression. Darum ist es wichtig, einen guten Umgang mit Wut zu lernen, am besten schon in der Kindheit. Denn vor allem Kinder, die Angst vor Trennung, Liebesentzug, körperlicher oder emotionaler Gewalt haben, vermeiden es, Aggressionen zu entwickeln, geschweige denn zu zeigen.

Wie kann ich grundsätzlich besser mit Wut umgehen?

Nicht jeder Mensch wird gleich schnell und heftig wütend. Es hängt stark von den eigenen Kindheitserfahrungen, der Sozialisation, der Persönlichkeit und auch der Lebensphase ab. Auch Hormone können eine Rolle spielen: Ist das Zusammenspiel aus den sogenannten Neurotransmittern – also hormonelle Botenstoffe wie Testosteron, Dopamin und Cortisol – gestört, kann dies Aggressionen hervorrufen. Manche Frauen leiden in den Wechseljahren unter starken Stimmungsschwankungen als mögliche Folge des sinkenden Östrogen- und Progesteronspiegels.  

Auch wenn es gut ist, Wut zu empfinden, sollten wir lernen, kontrolliert mit ihr umzugehen. Das ist wichtig, um sich vor möglicherweise gewalttätigen Reaktionen oder dem Ausspruch verletzender Worte zu schützen. Das gelingt zum Beispiel durch:

  • Wertfreies Wahrnehmen der eigenen Gefühle
  • Erkennen typischer Wutauslöser
  • Wahrnehmen und Ausdrücken körperlicher Bedürfnisse
  • Entwickeln von Strategien als Antwort auf Stress: Entspannungs- und Atemübungen, Achtsamkeitstraining, Sport
  • Akzeptanz und Toleranz gegenüber eigenen Emotionen
  • Selbstfürsorge entwickeln und Ausgleich schaffen

Wenn die Wut aber hochkommt, hilft es, zunächst in sich hineinzuhorchen, ob sie angemessen ist oder nicht. Ist sie – subjektiv gesehen – angemessen, sollte sie ausgesprochen werden. Sinnvoll ist auch, typische Situationen zu trainieren, um jederzeit mit verbaler Schlagfertigkeit reagieren zu können, anstatt mit unkontrollierter Wut.

Wer seine Wut nicht unterdrückt, sondern konstruktiv mit ihr umgeht, setzt positive Energie und Lebensfreude frei.

Sollten Sie merken, dass Ihre Wut Sie häufig übermannt und Sie damit sich oder Ihrem Umfeld schaden, zögern Sie bitte nicht, einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen. 

Letzte Änderung: 06.11.2024