Ein Bierchen mit Freunden, ein Glas Rotwein zum Abendessen – ist doch nicht so schlimm? Ab und an etwas Alkohol zu trinken, ist in Ordnung. Problematisch wird es, wenn jeden Tag Alkohol im Spiel ist und der Gedanke an das nächste Glas den Alltag bestimmt. Denn der Übergang vom Genusstrinken zur Alkoholabhängigkeit ist fließend.
Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
ServiceCenter AOK-Clarimedis
Im internationalen Vergleich zählt Deutschland zu den Hochkonsumländern. Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken lag 2018 bei 131,3 Litern pro Einwohner. Diese Menge entspricht etwa einer Badewannenfüllung oder 10,5 Liter reinem Alkohol.
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Regelmäßiger hoher Alkoholkonsum richtet im Körper schwere Schäden an: Entzündungen der Leber, der Bauchspeicheldrüse und der Magenschleimhaut sind nicht selten die Folge. Insbesondere steigt auch das Risiko für Krebs im Bereich von Mundhöhle, Rachen und der Speiseröhre, sowie von Brustkrebs, Kehlkopf, Bauchspeicheldrüse und Darm.
Nach Schätzungen sind 74.000 Todesfälle pro Jahr auf riskanten Alkoholkonsum beziehungsweise auf die Kombination von Alkohol- und Tabakverbrauch zurückzuführen.
Darüber hinaus sterben durch übermäßigen Genuss von Hochprozentigem Gehirnzellen ab. Dadurch werden das Denken und die Leistungsfähigkeit des Gehirns zunehmend eingeschränkt.
Gravierend können auch die psychischen Folgen sein. Während manche Alkoholiker ein ganz normales Leben führen und ihre Sucht vor dem Umfeld verheimlichen, brechen andere den Kontakt zu Freunden und Bekannten ab und leben dadurch isoliert und vereinsamt.
Alkoholabhängigkeit zählt zu den häufigsten Suchterkrankungen in Deutschland. Laut dem DHS Jahrbuch Sucht 2020 (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen) hatten 2018 insgesamt 3 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren eine alkoholbezogene Störung.
1,4 Millionen von ihnen konsumierten Alkohol übermäßig und 1,6 Millionen waren krankhaft abhängig.
Eine nicht repräsentative Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim zusammen mit dem Klinikum Nürnberg von 2020 legt zudem nahe, dass ein Drittel der Bevölkerung seit der Coronakrise zunehmend mehr Alkohol trinkt.
Die Übergänge zwischen „noch normalem“ Konsum, Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit sind fließend. Es gibt aber eine Reihe von Kriterien, die auf ein Alkoholproblem hinweisen. Dazu gehören unter anderem:
Alkohol hat eine berauschende Wirkung. Die kommt von der spezifischen Zusammensetzung der Alkoholmoleküle. Treffen die Alkoholmoleküle auf Nervenzellen, schütten diese vermehrt den Botenstoff Dopamin aus. Dopamin verursacht Glücksgefühle und hat eine entspannende Wirkung.
Trinkt man allerdings weiter, kommt es zu nicht mehr so angenehmen Reaktionen: zum Beispiel Verwirrtheit, Sprachstörungen, Schwindel, Selbstüberschätzung und Aggression.
Eine Alkoholabhängigkeit verläuft klassischerweise in vier Phasen.
In dieser Phase trinken Betroffene etwas mehr als normale Menschen. Sie beginnen, den Alkohol seiner Wirkung wegen zu trinken: Er verschafft ihnen Erleichterung und lässt sie Probleme vergessen.
Es werden zunehmend Gelegenheiten gesucht, ein Glas Bier oder Wein ohne Wissen des Partners, der Freunde oder Kollegen zu trinken. Die Gedanken kreisen fast ständig um den Alkohol. Betroffene merken, dass mit ihrem Trinkverhalten etwas nicht in Ordnung ist. Gleichzeitig möchten sie aber nichts daran verändern, da der Alkohol ihnen vermeintlich guttut. Daraus entstehen häufig Schuldgefühle.
Der Betroffene verliert die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum. Er trinkt bereits morgens. Selbstvorwürfe, starke Stimmungsschwankungen und Interessenverlust sind jetzt ebenfalls typisch. Zunehmend entstehen Streitereien in der Familie und Konflikte am Arbeitsplatz. Erste Entzugserscheinungen wie Händezittern und Schweißausbrüche treten auf.
Der dauerhafte, hohe Alkoholkonsum zeigt sich nun in körperlichen, aber auch seelischen Folgeschäden. Entzugserscheinungen treten immer schneller auf, Betroffene können nicht mehr klar denken. Konflikte eskalieren – oft brechen die Menschen aus dem sozialen Umfeld schließlich den Kontakt ab, da sie nicht mehr zu dem Betroffenen durchdringen und ein normales Zusammenleben nicht mehr möglich ist. Kann der Alkoholiker nicht mehr arbeiten, droht außerdem die Kündigung. All das verstärkt wiederum den Drang, die Probleme mithilfe des Alkohols zu verdrängen oder zu vergessen.
Warum der Alkoholkonsum bei manchen Menschen ausartet und sie abhängig werden und andere nicht, ist bis heute ungeklärt. Alkohol ist ein legales und sozial akzeptiertes Rauschmittel. Geburtstage, Hochzeiten, Jubiläen ohne ein Gläschen Sekt oder Wein – in unserer Gesellschaft kaum vorstellbar. Genau das macht ihn so gefährlich.
Power statt Promille
Alkohololprävention an Schulen.
Fest steht: Eine Alkoholproblematik ist wie ein Puzzle. Sie wird durch mehrere Faktoren ausgelöst. Gene, Biografie, Persönlichkeit und soziales sowie kulturelles Umfeld spielen dabei eine Rolle.
Wahrscheinlich beeinflussen Gene das Risiko für eine Alkoholabhängigkeit. So zeigen Untersuchungen, dass bei Kindern alkoholkranker Eltern eine bis zu sechsfach erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie selbst zu Alkoholikern werden. Andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Söhne alkoholkranker Väter sogar ein um 25 Prozent erhöhtes Risiko haben.
Bei Frauen scheint die Vererbbarkeit eine kleinere Rolle zu spielen. Dafür tendieren Frauen mit einem alkoholkranken Elternteil stärker zu einem alkoholabhängigen Partner als andere und können später in eine sogenannte Co-Abhängigkeit geraten.
Ob Menschen süchtig werden, hängt auch von im Elternhaus gelernten Verhaltensmustern, den Lebensumständen und der Persönlichkeit ab. Ein Mensch hat immer wieder familiäre oder berufliche Probleme zu bewältigen. Doch jeder geht damit anders um. Einige besprechen sich mit dem Partner oder mit Freunden, um so Lösungen zu finden. Andere wiederum versuchen, die Probleme zu verdrängen. Im schlimmsten Fall mit Alkohol.
Gefährdet sind vor allem Menschen mit Angst- und Panikstörungen. Alkohol ist für sie die „ideale“ Droge, weil er beruhigend, dämpfend und angstlösend auf das Nervensystem wirkt. Menschen mit sozialen Phobien (Kontaktstörungen) sind einer Studie zufolge besonders anfällig: Bis zu 20 Prozent von ihnen leiden unter einem schädlichen Alkoholkonsum. Der Alkohol hilft kurzfristig, ihre krankhaften Hemmungen, Ängste, Unsicherheiten und Minderwertigkeitsgefühle beiseitezuschieben.
Zunächst muss der Betroffene selbst einsehen, dass er Hilfe braucht. Meist ist – je nach Grad der Abhängigkeit und der persönlichen Situation – ein Aufenthalt in einer Suchtklinik sinnvoll. In Ausnahmen kann der Entzug auch ambulant durchgeführt werden. Ziel ist es, dass der Alkoholkonsum drastisch reduziert wird – oder besser noch – komplett auf Alkohol verzichtet wird.
Zu Beginn steht die Entgiftung des Körpers im Vordergrund. Dabei kommt es unter Umständen zu schweren Entzugserscheinungen wie Kreislaufproblemen, Herzrasen, Schmerzen oder Gleichgewichtsstörungen. Daher sollte eine Entgiftung nicht ohne ärztliche Unterstützung und am besten in einer stationären Einrichtung erfolgen. Der Arzt kann gegebenenfalls Medikamente verschreiben, um die körperlichen Entzugssymptome zu mildern. Die meisten der Symptome klingen nach etwa drei bis sieben Tage ab.
Zu den psychischen Entzugserscheinungen gehören zum Beispiel innere Unruhe, Gedächtnisprobleme, Aggression oder Schlafstörungen. Diese psychische Abhängigkeit vom Alkohol bekommen die meisten Alkoholiker nur mit professioneller Psychotherapie in den Griff. Diese Phase kann sich über mehrere Wochen und Monate ziehen. Betroffene lernen in der Therapie, ihre Probleme nicht mithilfe des Alkohols zu lösen.
Die Motivation, eine Therapie zu machen, muss von den Betroffenen selbst kommen. Angehörige können aber helfen, indem sie
Ob zur Entspannung nach Feierabend, beim Mädelsabend, auf diplomatischen Empfängen oder nach Abschluss eines Geschäftsdeals: Alkohol gehört für viele von uns einfach dazu. Dabei ist das Rauschmittel nicht ungefährlich: Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 20.000 Menschen, weil sie zu viel trinken. Dazu kommen 35.000 Autounfälle und unzählige Gewalttaten, bei denen Alkohol im Spiel ist. Ab wann gilt Alkoholkonsum eigentlich als riskant? Wo verläuft die Grenze zur Abhängigkeit? Die Antworten darauf gibt es in dieser Folge von „Auf Herz & Ohren mit Doc Caro“. Zu Gast ist eine junge, gebildete Frau, die jahrelang alkoholabhängig war und es geschafft hat, sich aus der Sucht zu befreien: Nathalie Stüben.
Alle Folgen aus der Podcast-Reihe finden Sie in der Podcast-Übersicht.
Letzte Änderung: 18.02.2021
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