Streitthema Smartphone: Wie schaffen es Eltern, mit ihren Kindern einen sinnvollen Umgang rund um die Nutzung von Smartphone & Co. zu finden? Mediencoach Kristin Langer von SCHAU HIN! gibt Antworten.
Mediencoach bei der Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“
Eltern kennen diese Situation nur zu gut: Nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag kommt Mama oder Papa nach Hause und dort herrscht das Chaos: Schulsachen und Taschen liegen rum, dreckiges Geschirr stapelt sich, die Spülmaschine ist nicht ausgeräumt – und die Kinder lümmeln auf dem Sofa und tippen auf ihren Smartphones. Da ist Streit vorprogrammiert.
„Leg doch mal das Handy weg!“ Solche Sätze sorgen in den meisten Familien immer wieder für Konflikte. Kein Wunder, wenn schon 95 Prozent der 12-Jährigen ein eigenes Smartphone besitzen. Im Laufe der Corona-Pandemie ist die Dauer der Gerätenutzung bei Jugendlichen deutlich angestiegen. Allein im Bereich soziale Medien um mehr als eine Stunde auf fast dreieinhalb Stunden pro Tag. Für Eltern ist es dabei nicht immer ersichtlich, ob ihr Nachwuchs gerade etwas Wichtiges für die Schule nachschaut oder gedankenlos durch verschiedene Social Media Feeds treibt. Wie also damit umgehen und den Familienfrieden wahren?
„Ich empfehle Eltern immer, auch hinter die Kulissen zu schauen und nicht nur aufgrund des Bildes zu urteilen, das sich ihnen gerade bietet“, sagt Mediencoach Kristin Langer, die für die Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ arbeitet, einem Medienratgeber für Familien. Das bedeutet konkret, einfach mal nachzufragen, wenn der Sohn oder die Tochter mit gesenktem Kopf über dem Smartphone sitzt – „sag mal, was machst du eigentlich gerade?“. Mitunter kann die Antwort auch überraschend sein, weiß Kristin Langer: „Vielleicht hilft Ihr Kind gerade der besten Freundin und chattet mit ihr über Lösungen für ihre Probleme. Oder es will nur kurz entspannen, nachdem es mehrere Stunden mit Hausaufgaben beschäftigt war – das ist auch für Eltern nachvollziehbar.“
Aufkeimende Konflikte können also entschärft werden, indem Eltern sich vor dem Vorwurf möglichst neutral informieren und interessieren: Was vermute ich (z. B. das Kind entzieht sich seinen Pflichten und ist nur am Smartphone) und wie ist es tatsächlich (z. B. das Kind macht nur kurz Pause nach dem Lernen)?
„Auch wenn es schwerfällt, geben Sie Ihrem Kind die Chance, sich zu äußern – und strahlen Sie dabei auch aus, dass Sie Ihr Kind und sein Verhalten wirklich verstehen wollen; möglichst wertefrei“, sagt Mediencoach Langer. Ein wichtiger erster Schritt sei es, Stück für Stück Akzeptanz aufzubauen. „Sie gehören zu unterschiedlichen Generationen, die verschiedene Vorstellungen von Interessens- und Freizeitgestaltung haben. Digitales gehört für die Jüngeren einfach selbstverständlich zum Alltag dazu.“
Die Nutzung moderner Medien ist für junge Menschen so normal wie es für die ältere Generation die Lektüre der Tageszeitung war. Eltern stehen dabei immer wieder vor der Frage: Wie kann ich mein Kind dabei unterstützen, dass es Smartphone, Internet & Co. sinnvoll nutzt?
An diesem Punkt setzt die Initiative SCHAU HIN! – Was Dein Kind mit Medien macht. an. Der Medienratgeber für Familien liefert fundierte Informationen für Eltern und Erziehende, alltagstaugliche Tipps, gibt Updates über aktuelle Entwicklungen der Medienwelt und Wissenswertes zu den verschiedensten Medienthemen, zum Beispiel Smartphone & Tablet, Soziale Netzwerke, Games, Apps, Medienzeiten und Streaming.
Nicht immer ist es leicht, über kritische Themen zu sprechen. Eine Idee deshalb: früh damit beginnen. „Warten Sie nicht, bis die Smartphone-Nutzung zum kritischen Thema wird, sondern versuchen Sie von Anfang an, offen zu kommunizieren“, sagt Langer. Das bedeutet, sich auch im Alltag immer wieder darüber auszutauschen, was gerade in der Handywelt passiert, welche Apps und Trends das Kind (aber auch Eltern) beschäftigen oder wie die Stimmung im Klassenchat ist.
Bis zu einem Alter von zwölf Jahren sollte die App-Installation Elternsache sein, lautet die Empfehlung von SCHAU HIN!. Allerdings ist es gut, wenn auch jüngere Kinder Mitspracherecht haben. „Schauen Sie sich aktiv gemeinsam mit Ihrem Nachwuchs die Programme an. Recherchieren Sie selbst. Akzeptieren Sie auch, dass die Jugendlichen oft noch mal andere Informationen und Einblicke in Apps und Soziale Netzwerke haben als Sie.“ Am besten funktioniert es im Zusammenspiel eines bewussten Miteinanders – ohne dass sich eine Seite als besserwisserisch oder belehrend aufspielt.
Bei der Kommunikation auf Augenhöhe gehört es auch dazu, dem Kind Verantwortung zu übertragen und etwas zuzutrauen. „Permanente Kontrolle ist nicht zielführend“, erklärt SCHAU HIN!-Mediencoach Langer. „Wenn Sie nicht wollen, dass der Nachwuchs komplett dicht macht, versuchen Sie es mal mit Partizipation und Gleichberechtigung.“ Verantwortung übertragen bedeutet beispielsweise, das Handy abends nicht einzusammeln, sondern darauf zu vertrauen, dass das Gerät zur verabredeten Zeit ausgeschaltet wird. Oder auf die Informationen zu vertrauen, die die Kinder einem geben über das neue, coole, bestimmt jugendfreie Spiel.
„Auch aus Jugendsicht ist es wichtig, Verantwortung zu bekommen. Sonst fällt die Umgewöhnung schwer, wenn in Ausbildung oder Studium plötzlich niemand mehr da ist, der alles kontrolliert.“ Mit zunehmendem Alter sei es sowieso schwieriger, mit Verboten und strengen Regeln durchzukommen, ohne ein „du hast mir gar nix zu sagen“ zu ernten, so Langer.
Wer sich dem Thema Smartphone-Nutzung konstruktiv nähern will, muss sich auch in Geduld üben. Junge Menschen in der Pubertät können manche Verhaltensweisen aufgrund ihres Hormonchaos nicht immer bewusst steuern, in anderen Momenten wiederum fehlt die Motivation oder schlicht und einfach die Lust.
„Klar hat man sich das vielleicht nach konstruktiven Gesprächen anders vorgestellt – und trotzdem fällt das Kind wieder in alte, ungeliebte Verhaltensmuster zurück“, warnt Langer. „Das ist aber ganz normal. In solchen Momenten sind Geduld und Beharrlichkeit von Ihnen gefragt.“ Gewisse Dinge seien vielleicht einfach als „Phase“ zu betrachten und entsprechend auszuhalten.
Manchmal könnte sich auch ein selbstregulierender Effekt einstellen, wenn Sie es mal eine Zeit lang laufen lassen: Gleichgültigkeit hinsichtlich ihres Verhaltens von Seiten der Eltern ist Jugendlichen nicht grundsätzlich egal. Vielleicht thematisieren sie dann sogar selbst irgendwann ihre Smartphone-Nutzung und weisen zum Beispiel darauf hin, dass sie sich heute an die Regeln gehalten haben.
Immer On?
Onlinesucht an Schulen vorbeugen.
Für Eltern ist es nicht leicht zu erkennen, ob das Kind einfach nur viel Zeit mit dem Smartphone verbringt, oder sich tatsächlich bereits ein Suchtverhalten entwickelt hat. Kristin Langer gibt folgende Faustregel an die Hand: „Bedenklich wird es, wenn sich das Kind sehr deutlich über einen längeren Zeitraum hinweg verändert hat und Sie es nicht wieder erkennen.“ Hier lesen Sie mehr zu Ursachen und Folgen einer Smartphone-Sucht.
Wenn Sie unsicher sind, wie sich die Lage zu Hause einschätzen lässt, sprechen Sie nahestehende Bezugspersonen an: Verwandte, Freunde und Freundinnen des Kindes, Coaches beim Sport oder auch Lehrkräfte. Sind die Veränderungen auch anderen aufgefallen? Klären Sie außerdem unter sich als Eltern ab, wie Sie die Situation wahrnehmen. Sollten Sie ein schlechtes Gefühl haben, können Sie sich Hilfe von außen holen.
Sie müssen so eine belastende Situation zu Hause nicht allein aushalten. Suchen Sie sich Hilfe und Ansprechpartner! In einem ersten Schritt kann das das Gespräch mit einer guten Freundin oder Freund sein, wenn man selbst nicht mehr weiterweiß. Auch Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, können oft gut zuhören und den ein oder anderen Tipp geben.
Die Initiative SCHAU HIN! bietet auf ihrer Website zahlreiche Informationen für Eltern an: Einerseits werden Grundlagen im Umgang mit Smartphones für Kinder in verschiedenen Altersstufen erläutert, andererseits aktuelle Entwicklungen und Trends hinterfragt und eingeordnet. Außerdem beantworten die SCHAU HIN!-Mediencoaches kostenfrei online individuelle Elternfragen zur Medienerziehung.
Darüber hinaus gibt es auch immer die Möglichkeit, sich an spezifische Beratungsstellen zu wenden. Bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen finden Sie im Suchthilfeverzeichnis die nächstgelegene Beratungsstelle für Ihr Anliegen.
Von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt es unter ins-netz-gehen.de die Möglichkeit zur kostenlosen Beratung per E-Mail.
Letzte Änderung: 04.02.2022
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