Online-Sportkurse unterscheiden sich in vielen Punkten von Angeboten vor Ort. Welche Vor- und Nachteile es gibt und ob die Fitness im Internet auch für Sie geeignet ist, erklärt Universitätsprofessor und Sportwissenschaftler Prof. Ingo Froböse im Interview.
Sportwissenschaftler, Universitätsprofessor
Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung Bewegungsorientierte Präventions- und Rehabilitationswissenschaften
Prof. Froböse, was ist besser: Online-Kurse oder Vor-Ort-Angebote?
Beides hat Vorteile. Bei den Online-Kursen ist es die Zeiteffizienz. Ich kann von überall, ohne großen Aufwand, zu jederzeit trainieren. Wer also ortsungebunden und zeitlich flexibel unter Anleitung trainieren möchte, für den bieten Online-Kurse einen erheblichen Vorteil. Wer andernfalls auf das Training verzichten würde, ist gut in einem qualitativ hochwertigen Online-Kurs gut aufgehoben. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt ist Scham: Fühle ich mich unwohl im Fitnessstudio oder Sportverein unter gut trainierten Menschen, kann das dazu führen, dass ich das Training meide. Das Training in einem „geschützten Raum“ kann dann eine gute Lösung sein.
Wie haben Sie den Umstieg auf mehr Onlinekurse während der Coronapandemie erlebt?
Diese besondere Zeit hat uns alle individuell vor große Herausforderungen gestellt und es erforderte viel Organisation und Umdenken, um den eigenen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Ich hatte große Bedenken, dass durch den Wegfall der Transportwege zur Arbeit und nach Hause sowie des täglichen Bedarfs für viele der Bewegungsmangel zunehmen würde. Überraschenderweise zeigen Daten, dass – zumindest im ersten Lockdown – die körperliche Aktivität der Deutschen gestiegen ist. Dazu beigetragen hat sicherlich auch das immense Wachstum von Onlineangeboten. Was hier natürlich fehlt ist, die zentrale Bedeutung von sozialen Kontakten, die ohne persönliche Treffen in Sportvereinen und Fitnessstudios komplett abhandengekommen ist. Das aber natürlich an dieser Stelle zurecht, denn genau das brauchte es ja, um der Pandemie entgegenzuwirken.
Und nach dem ersten Lockdown?
Ab dem zweiten Lockdown schwand die Motivation leider bei vielen und die Menschen haben den positiven Trend für sich nicht fortsetzen können. „Corona-Kilos“ wurden die überschüssigen Pfunde betitelt. Die Gründe sind hierfür sicherlich vielfältig und nicht allein darauf zu schieben, dass es an Ehrgeiz fehlte: Die psychische Belastung, insbesondere für Familien mit Kindern und / oder zu pflegenden Angehörigen war enorm. Da ist das Thema Bewegung leider ins Hintertreffen geraten, auch wenn sie auf Körper und Geist prinzipiell positiv wirkt.
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Wie schätzen Sie die weiteren Entwicklungen in der Zukunft ein?
Ich glaube, Onlinekurse haben durchaus das Potenzial, eine wunderbare Ergänzung zum Vor-Ort-Training zu sein: Personen, die eine Orientierung oder etwas Unterstützung brauchen, können sich damit bis zu einem bestimmten Grad Abhilfe schaffen. Um eine echte und dauerhafte Alternative für ein vor-Ort-Angebot für die breite Masse darzustellen, braucht es wohl noch etwas Zeit. Aber auch hier wird der technische Fortschritt künftig sicher großartige Möglichkeiten mit sich bringen, um etwa das Anleiten und Korrigieren von Übungen qualitativ zu optimieren. Da die Lebensentwürfe immer vielfältiger werden, Ortsunabhängigkeit für das Leben und Arbeiten an Bedeutung gewonnen hat, ist es nur wichtig und richtig, dass auch das qualitative Training immer flexibler wird. Ein weiterer wichtiger Trend, der binnen der Pandemie Auftrieb erfahren hat, ist das Hybrid-Modell: Mit einem solchen Kurs-Modell bieten immer mehr Studios und Trainingseinrichtungen das persönliche Training vor Ort an, das gleichzeitig digital besucht werden kann.
Auch wenn ich als Vereinskind einen erheblichen Nachteil darin sehe, dass der soziale Aspekt eben auch nicht selten digitalisiert und damit unpersönlicher wird.
Wie glauben Sie, wird sich Virtual Reality und Metaverse auf Onlineangebote auswirken?
Auch hier kann es eine Unterstützung oder eine Motivation für diejenigen sein, die dadurch mehr Sport treiben. Allerdings driftet das Konzept Metaverse recht stark vom eigentlichen Konzept des Sportes ab und bietet daher aus meiner Sicht keine echte Alternative. Es besteht die Gefahr, dass durch zu viel „Schnick-Schnack” vom eigentlichen Fokus abgelenkt wird.
Metaverse beschreibt eine virtuell erstellte Welt, in der Menschen über das Internet interagieren können. Es kann eine Vielzahl von Anwendungen und Erfahrungen wie Online-Spiele, soziale Netzwerke oder auch virtuelle Fitnessstudios erschaffen und soll dabei nahtlos mit der realen Welt verbunden sein. Das geht zum Beispiel mithilfe spezieller „Virtual Reality“-Brillen, in der ein Bildschirm eingefasst ist. Setzt der Nutzer eine solche Brille auf, kann er mit seiner virtuellen Umgebung mittels Sensoren navigieren und interagieren.
Wie funktioniert die Anleitung über Online-Kurse?
Es gibt zwei verschiedene Arten von Online-Kursen: Solche, die aufgezeichnete Videos auf Abruf zur Verfügung stellen und solche, die live stattfinden.
Wie gewähre ich dabei die Sicherheit, Übungen zu Hause korrekt auszuführen?
Rufe ich das aufgezeichnete Video zu Hause ab, um die Übungen umzusetzen, fehlt jegliche Kontrolle. Inhaltlich müssen deshalb sämtliche Details und potenzielle Fehlerquellen zum Ausdruck gebracht werden. Das ist natürlich relativ aufwändig und es gibt große qualitative Unterschiede. Eine sportliche Vorerfahrung ist ohne die Kontrollinstanz Trainer oder Trainer von großem Vorteil.
Die zweite Option ermöglicht die Interaktion zwischen Trainer und Kursteilnehmern. Nutzen diese auch ihre Kamera, besteht die Möglichkeit für die Kursleitung, auf Fehler hinzuweisen und Korrekturen vorzunehmen. Insbesondere für Einsteiger ist das die wesentlich bessere Option. Aber auch hier weist der Markt ein breites Qualitätsspektrum auf. Achten Sie auf eine fundierte Ausbildung der Trainer, bevor Sie einen Kurs buchen.
Welche Arten des Trainings eignen sich besonders für eine der beiden Varianten?
Ich würde hier nicht zwischen Disziplinen, sondern insbesondere der individuellen Vorerfahrung der Menschen unterscheiden. Verfüge ich über ein gutes Körpergefühl, über sportliche Vorerfahrung und bin mit der Umsetzung angeleiteter Übungen vertraut, fällt es mir leichter, den Anweisungen im Video zu folgen. Bringe ich diese Kompetenzen (noch) nicht mit, stellen Liveangebote die bessere Alternative für mich dar.
Achten Sie darauf, sich im Vorfeld von der Qualität der Angebote überzeugen. Viele Angebote, insbesondere Präventionskurse, sind mittlerweile Krankenkassenzertifiziert und bieten Laien dadurch eine gewisse Sicherheit.
Was macht einen guten Online-Fitnesskurs aus?
Worauf muss ich sonst achten?
Ein virtueller Trainer sollte jederzeit in der Lage sein, falsche Ausführungen korrigieren zu können. Das heißt, die Gruppengröße sollte überschaubar sein, damit der Trainer individuell reagieren kann. Mit ihr oder ihm steht und fällt die Qualität des (virtuellen) Fitnesskurses. Zudem sollten die Übungen leicht umsetzbar sein und so gezeigt werden, dass sie einfach zu wiederholen sind. Es nützt niemandem etwas, wenn der Trainer eine sehr komplexe Übung anzeigt und man dann im schlimmsten Fall zurückspulen muss, um die Übung nachvollziehen zu können.
Mit welchen Geräten muss ich ausgestattet sein?
Das hängt ganz davon ab, welches Trainingsziel ich verfolge. Um die eigene Muskelkraft und Kraftausdauer zu fördern, ist das Training mit dem eigenen Körpergewicht ist für ein Onlinetraining eigentlich gut geeignet: Es kommt ohne Geräte aus (ideal, um von unterwegs zu trainieren), ist kostenneutral und variabel in der Intensität einsetzbar. Manche Anbietende sind aber auch kreativ und funktionieren Alltagsgegenstände zu Trainingsgegenständen um, wie einen Stuhl, eine Wasserflasche oder auch ein Handtuch.
Möchte ich an Ausdauer gewinnen, braucht es ein gezieltes Cardio Training. Das funktioniert mit entsprechenden Geräten wie einem Heimtrainer, Crosstrainer oder Laufband – die sind nicht nur kostenintensiv, sondern brauchen auch Platz. Um die eigene Ausdauerleistung zu verbessern, würde ich nicht nur deshalb immer auf das Training an der frischen Luft setzen. Auf diese Weise erfährt der Körper zu dem aktivierenden Herz-Kreislauf Training stimulierende, äußere Einflüsse durch Wind und Wetter, mental fällt es außerdem leichter, vom Alltag „abzuschalten“.
Wie bette ich Online-Trainingskurse in meinen Trainingsplan ein? / Wie stelle ich sicher, dass sich mehrere (Online-)Angebote sinnvoll ergänzen?
Das Einfachste ist, auf einen Anbieter zu setzen, der ein ganzheitliches Programm bietet, also neben reinen Übungsvideos auch einen Trainingsplan bereitstellt, der Orientierung für Intensität und Häufigkeit der Trainingsangebote bietet.
Wenn das nicht zur Option steht, braucht es Knowhow und ich muss mich in die Gestaltung von Trainingsplänen einarbeiten.
So oder so ist es immer wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und das eigene Wohlbefinden im Blick zu behalten: Immer wiederkehrender Muskelkater, andauernde Erschöpfung oder Schmerzen deuten auf eine Überforderung hin. Dann ist es wichtig, das Training weniger intensiv zu gestalten oder die Pausenzeiten anzupassen.
Können alle Präventionsangebote auch online stattfinden?
Theoretisch ja. Durch Corona gab es einen signifikanten Anstieg digitaler Angebote, die von einer Sonderregelung profitiert haben. Seit einiger Zeit gibt es zudem Präventionskurse, die ausschließlich in einer App auf dem Smartphone angeboten werden.
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Wie kann man sich den Ablauf eines Online-Präventionskurses vorstellen?
Das kommt ganz auf den Kurs an, aber außer dem Ort ist der Ablauf recht ähnlich. Für mich ist zentral, dass die psychosoziale Komponente leider völlig abhandenkommt. Sowohl vor als auch nach dem Kurs kommt man nicht mit den anderen Teilnehmenden ins Gespräch, darin sehe ich den wohl größten Nachteil!
Wie steht es um die Wirksamkeit von Online-Präventionskursen?
Sofern man sich von digitalen Angeboten abgeholt fühlt und diese auch umsetzt, sind sie wirksam. Menschen, die sich schlecht am Laptop oder Handy konzentrieren können oder zu schnell abgelenkt sind, sollten besser auf den guten alten Präventionskurs vor Ort setzen. Zu vor Ort-Kursen rate ich auch Menschen, die über kein großes soziales Netzwerk verfügen. So treffen sie in einem anderen, spielerischen und gesunden Rahmen viele Menschen. Das tut doppelt gut!
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Letzte Änderung: 03.02.2023
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