Draußen ist es nass, kalt und viel zu früh dunkel – das lässt die Stimmung bei vielen Eltern hinsichtlich möglicher Familienausflüge in diesen Tagen eher so mittel sein. Dabei ist die Meute leichter an der frischen Luft zu bespaßen als so mach einer meint. Man muss die Vorteile des Winters nur optimal nutzen. Wir zeigen Ihnen, wie’s geht!
Es ist nass, es ist kalt, es ist eklig. Bleiben wir lieber drinnen? Die Verlockung ist groß. Aber der Frust, der Familien bei winterlichen Drinnen-Tagen nach einer gewissen Zeit droht, ist es erfahrungsgemäß auch …
Was in solchen Momenten helfen kann: sich erinnern. Wie war das beim letzten Mal draußen in der Natur? Vor allem der Wald scheint ein magischer Ort für Entdeckungstouren mit Kindern zu sein. Kaum ein paar Meter hineingegangen ist es, als würde eine Art schützender Vorhang fallen. Die Geräuschkulisse des Alltags verstummt. Achtsam und absichtslos können wir schlendern – und staunen.
Der klassische elterliche Reflex, den Kindern was bieten zu wollen? Braucht es draußen kaum. Schon der Anblick von Flechten, die wie Bärte von Bäumen hängen, oder eines Pilzes genügt und der Nachwuchs ist wie absorbiert. Die Fantasie füllt sich mit Leben und bei Bedarf helfen kleine Geschichten nach: über dämmerungsaktive Tiere wie Rehe oder Dachse, die vielleicht ganz in der Nähe ihren Ruheplatz haben. Über neugierige Augen, die uns womöglich längst erblickt haben, während wir ahnungslos sind.
Ulrich Gebhard, Psychoanalytiker für Kinder und Jugendliche und bis 2019 Professor für Didaktik der Biowissenschaften an der Universität Hamburg, erklärt sich die beeindruckende Wirkung des Waldes auf Kinder durch etwas, was für ihre Entwicklung von großer Bedeutung ist. Vereinfacht: Der Wald ist als Reizumfeld ein „Mittelding“ zwischen altbekannt und wohl vertraut. Gebhard: „Die Natur verändert sich ständig und bietet zugleich Kontinuität.“ Damit bekommen Kinder beides: ganz viel neuen Input. Und gleichzeitig die Erfahrung von Verlässlichkeit und Sicherheit.
Schon die ganz Kleinen können aus Tüchern oder Tragen verfolgen und erleben, wie anders das winterliche Wahrnehmen geht. Das Hören zum Beispiel. Wo Alltagsgeräusche gerade im Wald auch sonst schon wie abgestellt wirkten, scheint sich der Effekt im Winter noch zu potenzieren. Und es scheint nicht nur so: Wenn Schnee liegt, dringen Schallwellen in die Eiskristalle ein und bringen sie zum Schwingen. Die Wellen werden immer weiter in den Schnee hineintransportiert, bis sie sich schließlich totlaufen. Der Schnee schluckt den Schall!
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Wo Natur wirkt, braucht es kein großes, lockendes Wow. Und übrigens auch nicht unbedingt Postkartenwetter. Gerade bei Nässe nehmen unsere Sinne Düfte und Farben besonders intensiv war. Auch Fußabdrücke von Tieren, sogenannte Trittsiegel, lassen sich jetzt viel besser finden als bei Trockenheit. Am besten mithilfe eines mitgenommenen Bestimmungsbuchs. Unschlagbar in Sachen Nachverfolgung sind frisch beschneite Wege. „Wobei Trittsiegel grundsätzlich nur eine Form von Tierspuren sind“, gibt die Umweltpädagogin Dr. Maike Hinze zu bedenken. Hinze leitet mit einem Kollegen das Fischbeker Heidehaus, ein Naturschutz-Infozentrum in Hamburg, das ganzjährig Veranstaltungen für Familien anbietet. Die Tierspurensuche ist eine davon. „Besonders begeistert erleben wir die Kinder bei der Suche nach Fraßspuren“, erzählt Hinze, vor allem unter Nadelbäumen sei die erfolgsversprechend.
Wer hätte das gedacht: Zapfen sind ganz unterschiedlich abgefressen – die Art und Weise verrät, wer kulinarisch zugange war. Nur noch die Mittelachse des Zapfens ist übrig? Dann war es wahrscheinlich die gründliche Maus. Die Schuppen der Zapfen wurden einfach „abgerupft“? Das lässt auf ein Eichhörnchen schließen, das an die Samen unter den Schuppen will. Der Zapfen ist nur an der Spitze „ausgefranst“? Das spricht für einen Specht, der mit seinem Schnabel in die Zapfenspitze hackt. Übrigens vor allem im Herbst und Winter, der für die Umweltpädagogin Maike Hinze sowieso die beste Jahreszeit in Sachen Tierspurensuche ist.
Und so ist es mit vielem: Man kann das einen Nachteil nennen, dass es im Winter abends so schnell dunkel wird. Oder auch einen Vorteil, denn die kalte Jahreszeit ist wegen der früh einsetzenden Dämmerung für Nachtspaziergänge günstig. Der Sehsinn ist jetzt besonders gefordert: Die Farben verschwinden, wir sehen fast nur noch schwarz-weiß. Mit der Zeit werden die Konturen der Bäume schärfer. Spannend: Details wie Astlöcher oder Baumkronen oder das Wurzelwerk mit der Taschen- oder Stirnlampe genauer untersuchen. Spot an!
Optimal angezogen sind Kinder im Winter mit dem Zwiebelprinzip: Das Tragen mehrerer Schichten dünner Kleidung wärmt nicht nur effektiv, es verspricht auch Bewegungsfreiheit: Sollte es zu warm werden, kann ohne großen Aufwand eine Schicht abgelegt werden. Idealerweise besteht die erste Schicht beim Zwiebel-Look übrigens aus thermoregulierenden Stoffen. Diese hilft dem Körper, sich an unterschiedliche Temperaturen anzupassen: Wenn es kalt ist, wärmt sie, aber wenn es warm wird, überhitzt sie nicht. Produkte aus Wolle oder Fleece sind hier besonders geeignet: Baumwolle dagegen nimmt Feuchtigkeit und Nässe wie ein Schwamm auf und ist daher im Winter nicht zu empfehlen.
Auch wer lieber spielerisch draußen unterwegs sein will und sich vielleicht nicht ganz so viel aus „Expeditionen“ macht, hat im Winter allerbeste Voraussetzungen. Klar: Der Rodelhang – von gemütlich bis rasant – ist bei Schnee fast ein Muss. Auch im nicht gerade hügeligen Hamburg geht das, an den „Elbhängen“ im Westen der Stadt etwa oder am Doktorberg in Bergedorf. Und im rheinischen Neuss geht Rodeln sogar auch, wenn draußen alles grün ist: am „Rheinischen Gletscher“, in der Skihalle mit Ganzjahres-Betrieb in Neuss. Neben der 300 Meter langen und 100 Meter breiten Piste mit Förderband zu mehreren Schlittenbahnen.
Mit etwas Fantasie lässt sich Schnee aber auch ganz anders nutzen. Witzig: Spiele-Klassiker, die „winterlich abgewandelt“ werden. Aus dem Eierlauf kann zum Beispiel ein Schneeballlauf werden. Für eine extra Portion Spaß für die ganze Familie sorgt ein „Upgrade“ beim Schneemannbau. Tipp: Zu Hause überlegen, wie die „Schneefamilie“ aussehen soll, das steigert die Vorfreude. Und dann geht’s los und vielleicht entsteht neben dem Schneepapa, der Schneemama und den Schneekindern ja sogar noch ein Schneehund? Toll für etwas ältere Kinder: Schneeball-Dart. Einfach ein Ziel suchen, sich mindestens zwei große Schritte davon entfernt aufstellen und dann versuchen, genau in die Mitte des Ziels zu treffen.
Und wenn die Laune trotz allem mal eher nach drinnen steht? Natürlich, kaum ein Kind lässt sich zweimal fragen, ob es ins Hallenbad oder ins Kino will. Was Eltern manchmal weniger auf dem Schirm haben: kindgerechte Museumsführungen. Zeitvertreib plus tolle Inspiration (möglicherweise bietet sich im Anschluss der Gang in die Bücherei an?) plus Bildung – wo sonst hat man das alles auf einmal? Übrigens: Auch Freilichtmuseen haben oft ganzjährig geöffnet. Und manche, wie das Freilichtmuseum am Kiekeberg nahe Hamburg, locken gerade jetzt mit spannenden winterlichen Aktionen.
Nicht zuletzt lässt sich so ein Tag Pause vom Draußen-Sein auch gut für Vorbereitungen für weitere Ausflüge nutzen. Sei es, ob man „Expeditionskekse“ bäckt, neue Teemischungen für die Thermoskanne ausprobiert oder auch gedanklich bereits in Richtung wärmere Jahreszeit schweift. Ein Zelt kann man nicht nur auf einer Wiese aufbauen, sondern auch im Wohnzimmer. Mit Kissen und Decken ein prima Ort, um einen nasskalten Tag zu verbringen. Beim Vorlesen, Kuscheln oder einfach so.
Letzte Änderung: 29.12.2022
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