Vorwürfe, Schuldzuweisungen oder gar Drohungen: Wenn die Beziehung mehr schadet als glücklich macht, ist es Zeit zu handeln. Wer besonders anfällig für toxische Beziehungsmuster ist und was man selbst tun kann, um sich davor zu schützen.
Paartherapeut, Hamburg
Eine feste Definition oder Diagnose einer toxischen Beziehung gibt es nicht. Klar ist aber: Sie kostet einen von beiden viel Kraft. „Das Leben in einer toxischen Beziehung ist ein Leben zwischen Extremen: Es gibt einen ständigen Wechsel zwischen Paradies und Katastrophe“, sagt Andreas Kirsche, Paartherapeut und Beziehungscoach aus Hamburg.
Es ist nicht gemeint, dass ein Paar mal in einer Krise steckt oder heftig streitet. Vielmehr ist ein langfristiges Muster zu erkennen: „Die Bedürfnisse des einen Partners stehen im Vordergrund und werden beharrlich eingefordert. Der andere Partner hat die Aufgabe, diese Bedürfnisse zu erfüllen“, erklärt Kirsche. „Diese Beziehungen sind geprägt von Dominanz, Kontrolle, Abwertung und Egoismus.“ Solch eine vergiftete Beziehung kann krank machen – seelisch und körperlich. Das Problem: Wer selbst Teil einer solchen Beziehung ist, merkt das meist nicht direkt.
In Deutschland war mehr als jeder Dritte schon mal Teil einer toxischen Beziehung. Etwa ebenso viele kennen eine Person, die davon betroffen war.
Laut einer aktuellen Studie leben Frauen häufiger in einer ungesunden Beziehung als Männer (41 Prozent vs. 31 Prozent).
Eine toxische Beziehung kann unterschiedliche Ursachen haben. „Oft finden dort Menschen zusammen, die sich auf eine ungesunde Art ergänzen“, sagt Kirsche.
Seiner Erfahrung nach sind etwa Menschen, die eine Persönlichkeitsstörung aufweisen besonders anfällig. Ebenso wie Menschen, die emotional instabil sind oder wenig Empathie gegenüber ihren Mitmenschen aufweisen. Das träfe etwa auf Narzissten oder Borderliner zu. Menschen, die zur Selbstaufgabe und zur Co-Abhängigkeit neigen, sind nach Ansicht des Experten der entsprechende Gegenpart in einer toxischen Beziehung.
Es gibt Faktoren, die ungesunde Beziehungen begünstigen. Mangelndes Einfühlungsvermögen des dominanten Parts beispielsweise. „Der schwächere Partner hingegen fühlt sich tendenziell unterlegen“, sagt Kirsche. „Daher nimmt er Verhaltensweisen seines Partners hin, die eigentlich inakzeptabel sind“, ergänzt er. Ständige Kontrolle, Beleidigungen und Einschüchterungen schadeten dem Selbstwertgefühl zusätzlich.
Wer sich nicht zutraut, mit Krisen und Rückschlägen allein fertig zu werden, ist häufiger Teil einer ungesunden Beziehung. „Die Angst vor dem Alleinsein und einem Dauersingle-Dasein lässt an Beziehungen festhalten, die schon längst nicht mehr guttun“, unterstreicht Kirsche. Auch finanzielle Abhängigkeit kann eine Rolle spielen.
Die Anzeichen sind individuell verschieden. Zu den typischsten Anzeichen gehören:
„Diese Alternativlosigkeit hat Suchttendenzen“, ergänzt Kirsche. Eine Trennung sei ähnlich schwierig wie der Entzug von einer harten Droge. Rationale Argumente und das Wissen, dass die Beziehung einem selbst schade, treten in den Hintergrund.
AOK-Clarimedis
Medizinische Hilfe am Telefon.
Ein Patentrezept gibt es leider nicht. „Nicht in der Opferrolle steckenbleiben“, lautet der erste Rat des Experten. „Es gilt herauszufinden, wodurch der toxische Partner so leichtes Spiel beim Schwächeren hatte.“
Der unterdrückte Part sollte sich fragen, welche Faktoren ihn empfänglich machten für den dominanten, manipulativen Partner. Welche Ängste sollte der Partner beruhigen? Welche Bedürfnisse sollte er stillen? „Wer seine Persönlichkeit und seine Bedürfnisse kennt, hat einen besseren Sinn dafür, wann ein anderer keinen Respekt davor zeigt“, fasst Kirsche zusammen. Betroffene sollten sich klar machen: Respekt und Empathie sind nicht verhandelbar. Sie sollten nicht an Argumente oder Bedingungen geknüpft werden.
Jede Beziehung ist individuell. Doch eine toxische Beziehung lässt sich nicht in eine Partnerschaft auf Augenhöhe weiterentwickeln. Umso wichtiger ist es, konsequent zu bleiben, wenn der Entschluss gefallen ist, sich zu trennen: „Man sollte sich von der Hoffnung verabschieden, dass der andere sich ändern wird, wenn man ihn nur genug liebt“, erklärt der Beziehungscoach.
Kontakt zu anderen Menschen in toxischen Beziehungen und Selbsthilfegruppen – zum Beispiel für Partner von Narzissten – finden Interessierte unter anderem beim KISS Hamburg (Kontakt- und Informationstellen für Selbshilfegruppen) oder beim Paritätischen NRW.
Anlaufstellen für Frauen, etwa bei häuslicher Gewalt, sind zum Beispiel Patchwork in Hamburg, die Frauenberatungsstelle Düsseldorf oder das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, das Sie rund um die Uhr kostenlos und anonym unter 08000 116 016 anrufen können.
Letzte Änderung: 17.06.2021
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