Frauen haben andere Krankheiten als Männer – oder die gleichen, aber mit anderen Symptomen. Auch ihr Verhalten unterscheidet sich: Frauen gehen häufiger zum Arzt. Und weil sie im Durchschnitt viel älter werden als Männer, nämlich 83,4 Jahre (Männer 78,5 Jahre), ist es besonders wichtig, dass sie mithilfe von Vorsorgemaßnahmen möglichst lange fit bleiben. Wie Gesellschaft, Medizin und die Patientinnen selbst positiv darauf einwirken können, erklären Prof. Dr. Stefanie Joos und Dr. Hannah Haumann von der Universität Tübingen.
Prof. Dr. Joos, brauchen Frauen andere Präventionsangebote als Männer?
Ganz allgemein sind die Angebote zur Erhaltung der Gesundheit hierzulande noch ausbaufähig, angesichts der Zunahme von Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Herzgefäßerkrankungen. Hier können Inspirationen, die den Lebensstil, die Ernährung und das Bewegungsverhalten der Patientinnen positiv beeinflussen, viel erreichen.
Welche Rolle spielen Geschlecht und Lebenssituation dabei?
Wir wissen, dass Menschen aus ärmeren sozialen Schichten oder mit geringer Bildung auch seltener zum Arzt gehen und seltener Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen. Im Hinblick auf das Geschlecht gibt es aus Studien interessante Hinweise, wonach Ärztinnen ihre Patienten im Vergleich zu Ärzten laut Studien zwar aktiver zu Vorsorgeangeboten beraten, aber nicht unbedingt die Frauen, also die Patientinnen. Und obwohl sich immer mehr Erkenntnisse verdichten, dass es in der Medizin wichtig ist, das Geschlecht zu berücksichtigen, kommt das nicht immer zum Einsatz. So auch in der Gesundheitsvorsorge. Hier sehen wir einen großen Nachholbedarf, auch in der Ausbildung der Medizinstudierenden.
Die Unterschiede in der Versorgung zwischen Männern, Frauen – und auch von Menschen aus der LGBTQ-Gruppe oder Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen – müssen besser verstanden werden, um dann auch entsprechend reagieren zu können.
Dr. Haumann, fehlt es an Aufklärungsarbeit bzw. wie könnte diese verbessert werden?
Der Wert der Gesundheit sollte in allen Lebensbereichen des Alltags spürbar sein. Wenn wir wissen, wie Frauen besser lange gesund bleiben bzw. wie Männer lange gesund leben, sollten wir das auch zielgruppengerecht kommunizieren. So, dass es jeder versteht und für sich nutzen kann.
Ältere Frauen haben große Angst davor, zu fallen – mehr Angst, als faktisch Stürze passieren. Woher rührt diese Angst und wie ließe sich ihr präventiv entgegenwirken?
Stürze im Alter sind tatsächlich ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Jährlich stürzen ca. 30 von 100 älteren Menschen, die zu Hause leben. Aber: Sich aus Angst oder Sorge vor einem Sturz nicht zu bewegen, birgt ein höheres Risiko, zu stürzen, als in Bewegung zu bleiben, insbesondere im Alter. Es ist also wichtig, mögliche Ursachen für Stürze im Alltag zu erkennen und diese zu beheben. Diese Ursachen reichen von Sehbeeinträchtigungen über Stolperfallen wie Teppichkanten bis zur unzureichenden Ausstattung mit Hilfsmitteln. Für eine Risikominimierung bedarf es einer gut erreichbaren Beratung für ältere Menschen und eines niedrigschwelligen, wohnortnahen Bewegungsangebots mit dem Ziel, Balance, Kraft und Mobilität zu erhalten.
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Tatsächlich haben Frauen ab 60 allgemein ein grundsätzlich höheres Verletzungsrisiko als Männer – warum? Wo könnte hier Prävention ansetzen?
Frauen nach der Menopause haben durch den Östrogenabfall ein erhöhtes Osteoporoserisiko und dadurch auch ein höheres Risiko für Knochenbrüche als Folge von Stürzen. Daher ist die angesprochene Angst vor Stürzen bei älteren Frauen durchaus gerechtfertigt. Als mögliche Ansatzpunkte für Prävention gilt ähnliches wie für die Sturzprävention: Ausreichende körperliche Aktivität ist neben einer ausgewogenen Ernährung zur Vermeidung von Gewichtsabnahme oder Untergewicht relevant. Darüber hinaus spielen aber auch Rauchen und Alkoholkonsum eine negative Rolle in der Entstehung von Osteoporose.
Frauen gehen rein statistisch zwar häufiger zum Arzt als Männer – aber häufig auch sehr spät. Woran liegt das?
Aus der kardiologischen Forschung gibt es interessante Hinweise darauf, dass bei älteren Frauen eine „falsche Bescheidenheit“ dazu führen kann, dass der Notarzt bei klassischen Symptomen eines Herzinfarkts später gerufen wird – sprich, komplexe psychologische Faktoren und auch erlernte Geschlechterrollen spielen hierbei eine Rolle.
Laut BZgA sollten in der Gesundheitsvorsorge auch die unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen – wie Mutter¬schaft und Berufstätigkeit, Jugend und Alter, Armut und Reichtum – berück¬sichtigt werden. Was heißt das für die Praxis?
Wir brauchen in Deutschland mehr Forschung zu zielgruppen-spezifischen Präventionsansätzen, die genau den Aspekt „Lebenslagen“ berücksichtigen. Die Herausforderung in der Forschung zu Präventionsprogrammen ist die oft lange Beobachtungszeit, die es zur Beurteilung der Wirksamkeit braucht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erforschung der Frage, wie man die Zielgruppen erreicht und wie Anreize gesetzt werden können, aktiv an Präventionsprogrammen teilzunehmen und sich an deren Angaben zu halten.
Letzte Änderung: 02.06.2023
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