Manche Frauen spüren bei gleicher Medikation andere Nebenwirkungen als Männer. Das hat etwas mit der unterschiedlichen Verstoffwechslung zu tun, aber auch mit der aktiveren Selbstbeobachtung und Berichterstattung von Patientinnen.
Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie
ServiceCenter AOK-Clarimedis
Die richtige Dosis zu finden für unterschiedliche Patienten, die an derselben Erkrankung leiden, ist manchmal komplex. Hier spielen viele körperliche, aber auch individuelle Faktoren eine Rolle.
In der Forschung erfolgt die Erprobung neuartiger Medikamente in der Regel an männlichen und weiblichen Probanden. Hier zeigen sich oft statistische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, vor allem bei der Konzentration und Verweildauer des Wirkstoffs im Blut von Männern bzw. Frauen. Aber nicht nur das Geschlecht, die individuelle Fett-Masse-Verteilung, die Hormone und der unterschiedliche Stoffwechsel steuern die Wirkung von Medikamenten. Sondern auch die persönliche Fitness, das Gewicht, zusätzlich eingenommene Medikamente und das Alter – denn letzteres hat Einfluss auf Leber- und Nierenfunktion, die für den Abbau von Stoffen im Körper verantwortlich sind. Dort, wo die Forschung im Zulassungsverfahren von Medikamenten geschlechtsspezifische Unterschiede feststellt, wird in der Regel eine andere Dosierung empfohlen. Manche Medikamente werden auch nur für das eine Geschlecht zugelassen.
Studien in Großbritannien zeigten, dass Arzneimittelnebenwirkungen bei Frauen tatsächlich rund 1,5-mal häufiger auftreten als bei Männern. Eine Erkenntnis aus der geschlechtersensiblen Medizin ist außerdem, dass Frauen im Schnitt häufiger beim Arzt sind als Männer und deshalb auch öfter über Ereignisse berichten, die sie bei sich selbst beobachtet haben. Gleichzeitig fühlen sich viele Männer gesellschaftlich noch nicht dazu bereit, offen über Nebenwirkungen zu reden.
Manche Frauen stellen Nebenwirkungen fest, die sie verunsichern. Das verleitet dazu, die Dosis ohne Rücksprache mit dem Arzt herabzusetzen oder das Medikament ganz abzusetzen. Besser wäre, beim behandelnden Arzt oder in der Apotheke davon zu berichten, um eine medizinisch gesicherte Entscheidung treffen zu können. Auch eine Dokumentation der Beschwerden hilft, der Ursache auf den Grund zu gehen. Denn es kann sich auch um Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten handeln.
Das unterschwellige Wissen über häufigere Nebenwirkungen bei Frauen kann auch andere Folgen haben: So gibt es Hinweise darauf, dass Frauen in Deutschland insbesondere bei koronaren Herzerkrankungen trotz gleicher Diagnose, ähnlicher Risikokonstellation und vergleichbarem Alter möglicherweise weniger intensiv behandelt werden als Männer. Das heißt, die Arzneimittel werden bei ihnen womöglich unterdosiert.
Die wegen angenommener frauenspezifischer Nebenwirkungen eventuelle Unterdosierung kann dazu führen, dass Folgeerkrankungen bzw. -ereignisse bei Frauen häufiger auftreten und ihre Gesundheit negativ beeinflussen.
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Wird die Medikation durch die Patientin eigenmächtig heruntergesetzt oder abgebrochen, spricht die Medizin von mangelnder Therapietreue. Welche Folgen das für den Heilungsprozess hat, hängt grundsätzlich von der Erkrankung ab, die akut behandelt wird. Studien haben gezeigt, dass eine ungenügende Therapietreue bei koronaren Herzerkrankungen tatsächlich zu einer höheren Sterblichkeit führen kann. Wichtig ist, dass die Patientin ihrem Arzt vom Abbruch der Medikamenteneinnahme berichtet. Denn nur so kann er die Therapie entsprechend anpassen.
Therapieentscheidungen, die sich individuell an Geschlecht, Alter und bereits vorhandenen Krankheiten orientieren, sprechen für eine bessere Versorgung von Frauen, aber auch von Männern und non-binären Patienten.
Der Trend geht zur personalisierten Medizin mit einer optimalen, individuellen Dosierung von Medikamenten oder Wirkstoffen. Sie erlaubt die Überprüfung von Wirkungsweisen im Körper durch therapiebegleitende Wirkspiegelmessungen. Praktiziert wird das heute bereits bei Blutverdünnern, Epilepsiemedikamenten sowie Blutzucker- und Blutdrucksenkern.
Es gibt aber auch Fälle, in denen die unterschiedlichen Wirkweisen von Medikamenten in Frauen- bzw. Männerkörpern als zu gering gelten, als dass eine differenzierte Dosierung in der medizinischen Praxis notwendig erscheint. Bei anderen Wirkstoffen hingegen ist die Wirkweise auf weibliche bzw. männliche Patienten so signifikant anders, dass die Dosierung immer an das Geschlecht angepasst wird. Dazu gehört etwa der Wirkstoff Minoxidil gegen Haarausfall, der bei Frauen niedriger dosiert wird.
Letzte Änderung: 30.05.2023
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