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Fat Shaming – Diskriminierung bei Übergewicht

ArtikelLesezeit: 3:00 min.
Mann mit Übergewicht sitzt traurig auf dem Bett

Bildnachweis: © stock.adobe.com / New Africa

Viele übergewichtige Personen erleben jeden Tag negative Kommentare, gesellschaftlichen Ausschluss oder Benachteiligung aufgrund ihres Gewichts. Diese Art der Diskriminierung wird auch Fat Shaming genannt. Wir klären auf über Ursachen, Folgen und mögliche Lösungen.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Heike Maier

Dipl.-Psychologin
ServiceCenter AOK-Clarimedis

Was ist Fat Shaming?

Fat Shaming ist ein Begriff für intolerantes Verhalten von Mitmenschen als Reaktion auf das Übergewicht eines anderen Menschen. Dieser erfährt kritische Blicke oder Zurückweisung und erhält übergriffige, verletzende Kommentare oder übergriffige Ratschläge. Der übergewichtige Mensch wird dabei nur auf sein Äußeres reduziert, häufig in Sekundenschnelle. 

Hinweis: Wir wissen, dass auch Sprache stigmatisieren kann. Wir verwenden in diesem Artikel dennoch bewusst den im medizinischen Kontext akzeptierten Begriff „Übergewicht“ oder „übergewichtig“. Gemäß WHO-Definition gelten Erwachsene mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 30 kg/m2 als übergewichtig; darüber hinaus als adipös. Viele Betroffene selbst bevorzugen jedoch Begriffe wie „mehrgewichtig“ oder „dick“. 

Übergewicht und Adipositas: Volkskrankheit Nummer eins

Vorurteile und Klischees begegnen Übergewichtigen an vielen Kontaktpunkten ihres Lebens: im öffentlichen Nahverkehr, etwa weil die Sitzplätze viel zu schmal sind. Im Alltag, wenn sie beim Einkaufen größerer Mengen oder „ungesunder“ Lebensmittel kritisch beäugt werden. In der Freizeit, etwa wenn das Fahrgeschäft im Freizeitpark eine strikte Gewichtsbeschränkung hat. Beim Teamsport, wenn ihnen unterstellt wird, dass sie nicht mithalten könnten. Im Job kann es zu Benachteiligung bei Bewerbungsverfahren, Beförderungen, Bezahlung oder der Besetzung von Führungspositionen kommen. Und selbst im Freundeskreis gibt es Restriktionen, weil die mehrgewichtige Person nicht ins Körperbild der Peer Group passt und damit ihrem Schönheitsideal widerspricht. Nicht zuletzt in den sozialen Medien erfahren sie Anfeindungen durch negative Kommentare oder werden in Form von Memes zur Unterhaltung der Follower instrumentalisiert. In der Schule sind übergewichtige Kinder potenzielle Mobbing-Opfer. 

Schuldzuschreibungen: „Dicke“ sind selbst schuld

Viele Vorurteile beruhen auf der Annahme Außenstehender, dicke Menschen seien selbst verantwortlich für ihr Übergewicht. Medizinische, genetische oder psychologische Gründe ziehen sie hingegen seltener in Betracht. Dabei sind die möglichen Ursachen vielfältig. Es kann an ungesunden Essgewohnheiten, einer Essstörung wie Binge Eating und mangelnder Bewegung liegen – doch auch hier sollte der Auslöser hinterfragt werden. Neben der Sozialisation sind psychische Probleme möglich, die sich in dem Übergewicht als Symptom äußern. Auch hormonelle Störungen wie eine Schilddrüsenerkrankung können dahinterstecken, ebenso wie gesellschaftliche Risikofaktoren wie ein ungünstiges soziales Umfeld und ein niedriger Bildungsgrad. 

Diskriminierung im Gesundheitswesen

Selbst im Gesundheitswesen erfahren Übergewichtige häufig Fat Shaming in Form von Abweisung und Schuldzuschreibungen. Das hat eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergeben. Viele ärztliche Praxen sind nicht barrierefrei, ausgestattet mit zu schmalen Warteplätzen oder Behandlungsliegen. Die Betroffenen erfahren zudem einen unsensiblen Umgang mit ihrem Äußeren und einer voreiligen Verknüpfung ihrer Symptome mit ihrer Fettleibigkeit, obwohl die Symptome eine andere gesundheitliche Ursache haben können. Diese negativen Erfahrungen können bei Betroffenen dazu führen, dass ein Arztbesuch trotz starker Symptome hinausgezögert oder sogar vermieden wird. Das gilt auch für Vorsorgeuntersuchungen, sodass viele präventive Ansätze nicht greifen. 

Paar kocht gemeinsam

Ernährungsberatung der AOK

Wege zur gesünderen Ernährung.

Mentale und soziale Folgen für Betroffene

Die vielfältigen negativen Reaktionen auf ihr Aussehen kann bei Betroffenen zu einem geringen Selbstwertgefühl, starken Belastungen und Ängsten führen. Dies wiederum mündet für manche in einen Teufelskreis, weil sie aus lauter Unglück noch mehr Nahrung zu sich nehmen. Auch Äußerungen wie „Nimm doch einfach ab, dann geht es dir besser“, triggern Betroffene und provozieren eher das Gegenteil.

Die ständigen unaufgeforderten Kommentare und Konfrontationen mit Mitmenschen provozieren manchmal zu einem sozialen Rückzug und Einsamkeit. Je länger die soziale Isolation anhält und womöglich zu einer sozialen Phobie wird, desto schwieriger ist es, neue Beziehungen aufzubauen oder sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Test Soziale Phobie: Bin ich gefährdet?

Wer in seinem Umfeld negative Reaktionen aufgrund seines Gewichts erfährt, weiß, wie belastend das sein kann. Diese in erster Linie mit möglichst großer Gelassenheit zu ignorieren, kann ein Weg sein. Ein anderer ist, selbstbewusst und humorvoll darauf zu reagieren, rauszugehen und noch mehr Menschen an seinem „dicken“ Leben teilhaben zu lassen. Dabei immer daran erinnern, dass es auf die Persönlichkeit ankommt, nicht auf die äußere Hülle. Werden Grenzen überschritten, sollten Sie das Ihrem Gegenüber deutlich und direkt sagen. Verletzende oder aggressive Kommentare in Social Media lassen sich melden und die Kommentatoren blockieren.

Vielen hilft es auch, sich der Body-Positivity-Bewegung anzuschließen, die sich öffentlich gegen die gesellschaftliche Überhöhung von Schlanksein und Schönheit ausspricht und sich stattdessen für die Akzeptanz und Toleranz unterschiedlicher Körper engagiert.

Übergewicht ist ungesund – aber vor allem ist es persönlich

Von diagnostizierter Adipositas, also chronischem Übergewicht, ist bekannt, dass sie schwere gesundheitliche Folgen haben kann: Bluthochdruck, Diabetes Typ-2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vieles mehr. Deshalb ist es aus medizinischer Sicht sinnvoll, Übergewicht systematisch zu reduzieren. Die Entscheidung dazu ist jedoch eine höchstpersönliche und wahrscheinlich am nachhaltigsten, wenn sie vom Betroffenen selbst und ganz bewusst getroffen wird. 

Mögliche Anlaufstellen für Opfer von Diskriminierung:
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Nummer gegen Kummer (für Kinder, Jugendliche und Eltern): Telefon 116 111 oder www.nummergegenkummer.de
Bündnis gegen Cybermobbing e.V.

Letzte Änderung: 31.01.2025